Am letzten Sonntag, dem 25 Januar, fand der Gründungskongress von Respect statt und beschloss eine Wahlkampagne in England und Wales für die Wahlen zum Europaparlament und zum Regionalparlament von Groß-London mit dem Abgeordneten George Galloway als Spitzenkandidaten.
Die Socialist Party nahm am Kongress teil und machte Beiträge. Wir trafen auch Vertreter des Respect-Vorstandes (den Abgeordneten George Galloway und John Rees von der Socialist Workers Party) zwei Tage vor dem Kongress. Sie machten klar, dass sie es gern hätten, wenn wir Respect beitreten und in seinem Vorstand mitarbeiten würden.
Wir erklärten aber, dass wir gerne zusammenarbeiten und die Entwicklung von Respect mit Interesse verfolgen würden, uns aber in diesem Stadium nicht in der Lage sehen beizutreten. Trotzdem würden wir gerne Respect bei den Europawahlen unterstützen und hoffen, sie werden uns auch bei den Wahlen unterstützen, bei denen wir antreten.
Wir erklärten die Gründe für unsere Haltung in einem Brief, den wir auf dem Respect-Kongress verteilten, von dem hier eine gekürzte Version folgt.
Brief der Socialist Party (CWI in England und Wales) an den in London abgehaltenen Respect-Kongress:
An den Gründungskongress von Respect
Liebe GenossInnen,
Nie war die Notwendigkeit einer linken Massenalternative zu New Labour deutlicher. In der Socialist Party haben wir seit langem argumentiert, dass New Labour aufgehört hat, in irgend einem Sinne die Interessen der Arbeiterklasse zu vertreten und dass wir eine echte Arbeiterpartei brauchen.
Wir haben in der Vergangenheit alle ernsthaften Initiativen zur Bildung einer solchen Partei unterstützt, einschließlich begrenzterer Wahlbündnisse und Pakte. Aus diesen Gründen folgen wir den Entwicklungen rund um Respect mit großem Interesse. In diesem Stadium ist es für uns aber nicht klar, ob Respect einen Schritt hin zur Bildung einer neuen Arbeiterpartei darstellt.
Daher werden wir aus den Gründen, die wir unten erklären, zwar gerne Respect bei den Europawahlen unterstützen (und hoffen auch, dass Respect uns in den Gemeinderats- und Londoner Regionalparlamentswahlkreisen, wo wir im Juni antreten, unterstützen wird), fühlen uns in diesem Stadium aber nicht in der Lage beizutreten.
Demokratie — Lehren der Socialist Labour Party und der Socialist Alliance
Allgemein ist es nicht möglich, eine neue linke Massenformation ohne ein hohes Maß an Offenheit und Demokratie aufzubauen. Die Leute, die wir aus den Antikriegs- und antikapitalistischen Bewegungen und vor allem aus den Gewerkschaften anziehen wollen, werden keiner von oben nach unten organisierten Organisation mit von vorneherein feststehendem Programm und Satzung beitreten.
In England und Wales waren negative Beispiele dafür die Erfahrung der Socialist Labour Party (SLP) und der Socialist Alliance (SA) unter Führung der Socialist Workers‘ Party (SWP). Der überzentralisierte Charakter ihrer formalen Strukturen war ein Teil des Problems, von denen keine Organisationen und Kampagnen Raum zum Beitritt bot.
Es war aber auch die arrogante Herangehensweise der Führung dieser Organisationen, die mögliche Unterstützung entfremdete. Zum Beispiel nahm die SWP-geführte SA die Haltung ein, dass sie die linke Wahlalternative zu New Labour sei.
Dies war zu einer Zeit, als die SA 1.690 Mitglieder hatte und in 92 Wahlkreisen, in denen sie bei der Parlamentswahl angetreten war, im Durchschnitt 1.72 % der Stimmen gewonnen hatte.
Leider ergab sich aus einer solchen Überschätzung der Stärke der SA eine Weigerung mit anderen linken Kräften, einschließlich gewerkschaftlicher Anti-Kürzungs-KandidatInnen, die bei Wahlen antreten wollten, zusammenzuarbeiten oder auch nur ernsthaft zu diskutieren, wenn sie nicht bereit waren, der SA beizutreten.
Respects Herangehensweise bisher
Respect, in dem die SWP auch eine führende Rolle spielt, steht erst am Anfang, aber es scheint diese Lehren nicht gezogen zu haben. Selbst für eine Wahlkoalition sind Offenheit und Demokratie wichtig.
Aber vor dem heutigen Gründungskongress hat es keinen wirklichen Versuch gegeben, mit gewerkschaftlichen Basismitgliedern, Antikriegsaktivisten und kommunalen Kampagnen zu diskutieren.
Statt dessen hatten wir eine Reihe von Kundgebungen, bei denen die Gründer von Respect sprachen, in manchen Fällen ohne Debattenbeiträge aus dem Publikum.
Wir beurteilen die Frage der Demokratie nicht einfach in bezug auf uns selbst, aber wir haben Sorge, dass die Art, wie mit uns umgegangen wurde, ein Anzeichen für die Herangehensweise von Respect sein könnte.
Die Erfolge der Socialist Party sind zwar beschränkt, trotzdem hatte sie die größten Wahlerfolge auf der sozialistischen Linken mit fünf Gemeinderäten, der größten Zahl irgend einer sozialistischen Organisation in Britannien. Erst letzten Monat haben wir unseren zweiten Gemeinderat in Lewisham gewonnen. Unsere Gemeinderäte haben auch eine Erfolgsgeschichte bei der Verteidigung ihrer Sitze.
Wir haben auch eine bedeutsame Basis in den Gewerkschaften, einschließlich 17 Mitgliedern in Gewerkschaftsvorständen. Aber wir wurden nicht gefragt, ob wir bei irgendwelchen der Anfangsdiskussionen bei der Bildung von Respect teilnehmen wollten. Die Treffen, die wir forderten, wurden von der SA abgesagt.
Nachdem wir im Dezember an Respect geschrieben haben, hat diese Woche ein Treffen zwischen uns und John Rees von der SWP und George Galloway stattgefunden. Dies war zwar sehr begrüßenswert, es wäre aber viel besser gewesen, wenn wir in einem früheren Stadium einbezogen gewesen wären.
Vielleicht noch viel bedauerlicher war, dass Respect eine Kundgebung in Coventry machte, ohne es mit der Socialist Party zu diskutieren oder sie zu fragen, ob sie dort reden will. Dies ist eine Stadt, wo wir drei Socialist-Party-Gemeinderäte haben, einschließlich Dave Nellist, der früher Vorsitzender der Socialist Alliance war.
Nach dem Juni?
Im Moment ist Respect in Wirklichkeit eine Wahlkoalition für die Europawahlen. Natürlich kann eine Koalition für eine Wahl eine positive Rolle auf dem Weg zu einer neuen Arbeiterpartei spielen, aber das ist nicht garantiert. Wir haben keine klare Vorstellung, was für das nächste Stadium geplant ist, wenn Respect, wie wir hoffen, bei den Europawahlen Erfolg hat.
Zum Beispiel hat der Abgeordnete George Galloway die Perspektive aufgestellt, dass Respect möglicherweise bei dem Prozess der „Zurückforderung“ der Labour Party eine Rolle spielen kann und hat dazu aufgerufen, dass die Gewerkschaften bei diesem Prozess eine „zentrale Rolle“ spielen.
Wir betrachten das als einen Fehler und es wird denjenigen Gewerkschaftsführern Glaubwürdigkeit verleihen, die verzweifelt ihre Mitglieder zu überzeugen versuchen New Labour weiter zu unterstützen. Natürlich sollte Respect sich freundlich gegenüber den SozialistInnen verhalten, die in der Labour Party bleiben, es sollte aber trotzdem jeden Erfolg, den es hat für einen klaren Aufruf für eine neue Arbeitermassenpartei nutzen.
Ein sozialistisches Programm
Respects zentrale Parole ist Opposition gegen die Besetzung des Irak und „alle weiteren imperialistischen Kriege“. Dies und viele seiner weiteren Forderungen ist sehr gut — für ein Ende der Privatisierung, die Rückkehr der Eisenbahnen und anderer früherer öffentlicher Dienste in demokratisches öffentliches Eigentum, Opposition gegen Studiengebühren und so weiter.
Sie ergeben zusammen aber kein sozialistisches Programm, das eine wirkliche Alternative zum kapitalistischen System darstellt, das verantwortlich ist für Angriffe auf Bildung, das Gesundheitswesen etc. — und natürlich imperialistische Kriege.
Vielleicht liegt dies daran, dass der Guardian-Journalist George Monbiot und Salma Yaqoob (Vorsitzende der Birminghamer „Stoppt-den Krieg“-Koalition), die keine SozialistInnen sind aber zwei der acht „Gründungs-InitiatorInnen“ von Respect waren, einen ausdrücklich sozialistischen Inhalt ablehnten. Wenn das so ist, war es unserer Meinung nach ein Fehler, das Programm von Respect zu verwässern, um die Unterstützung von ein paar „prominenten Persönlichkeiten“ zu gewinnen.
Es war sicher nicht notwendig, das zu machen, um das zentrale Ziel der Respect-GründerInnen zu erreichen, die Wahlunterstützung aus den Teilen der Gesellschaft zu gewinnen, die an der Antikriegsbewegung teilnahmen, einschließlich der muslimischen Gemeinde.
Es ist natürlich entscheidend, zu versuchen, die massive Antikriegsbewegung zu nutzen, die Britannien erschütterte. Der beste Weg, das zu tun, wäre gewesen, wenn FührerInnen wie George Galloway zur Zeit der anderthalb Millionen starken Demonstration am 15. Februar, als die Bewegung auf dem Höhepunkt war, einen Aufruf für eine neue Partei gemacht hätten.
Trotzdem besteht immer noch das Potential, große Teile der Antikriegsbewegung einschließlich muslimischer ArbeiterInnen und Jugendlichen für eine neue linke Formation zu gewinnen. Aber es ist nicht ausreichend, bei Wahlen an MuslimInnen als muslimische WählerInnen zu appellieren.
SozialistInnen sollten statt dessen an die Klasseninteressen von MuslimInnen und AntikriegsaktivistInnen ebenso wie von anderen ethnischen und religiösen Gruppen und der Arbeiterklasse insgesamt appellieren. Unserer Meinung nach liegt George Monbiot falsch, wenn er sagt, Respect wird „die Masse der fortschrittlichen Meinung im Land“ (Morning Star, 12. Januar) gewinnen.
Nicht nur, weil es keine Hinweise auf ein solches Maß an Unterstützung gibt, sondern auch weil „fortschrittliche Meinung“ eine zu ungenaue Beschreibung der Leute ist, die Respect versuchen sollte zu gewinnen. Was heißt das? Behaupten nicht die „Antikriegs“-Liberaldemokraten zum Beispiel, die die Muslim Association of Britain bei der Nachwahl im letzten September in Brent Ost unterstützte auch, an die „fortschrittliche Meinung“ zu appellieren?
In Britannien wäre es heute möglich, die Unterstützung breiter Teile der Arbeiterklasse auf der Grundlage von zumindest den Hauptumrissen eines ausdrücklich sozialistischen Programms zu bekommen. In diesem Sinn ist Britannien, wo die Arbeiterklasse die Erfahrung des Labourismus hat, immer noch anders als die USA zum Beispiel, wo selbst eine linke nichtsozialistische Alternative wie Nader einen entscheidenden Fortschritt darstellen konnte.
Es stimmt, dass in der Zukunft eine neue Formation in Britannien nach einer Diskussion entscheiden könnte, beim sozialistischen Inhalt ihres Programms einen Kompromiss zu machen. Dies könnte notwendig sein, um zum Beispiel einem beträchtlichen Teil der Arbeiterklasse wie etwa einer Gewerkschaft möglich zu machen, einer neuen Formation beizutreten (dies war der Fall mit der Gründung des Labour Representation Committee 1900, dem Vorläufer der Labour Party), obwohl auch unter diesen Umständen SozialistInnen die Pflicht hätten, innerhalb der neuen Formation für ihre Ideen einzutreten.
Solch eine Lage ist aber sehr verschieden von der gegenwärtigen Position, wo eine verhältnismäßig kleine Gruppe von Individuen, überwiegend SozialistInnen, entschieden haben, keine sozialistischen Ideen zu vertreten, vielleicht um ein paar „prominente Persönlichkeiten“ an Bord zu behalten, und sicher mit der Hoffnung, dass dies breitere Wahlunterstützung gewinnen könnte. Tatsächlich wird es keines von beidem garantieren.
Ein Arbeiter-Europaabgeordneter für einen Arbeiterlohn
Obendrein sind selbst dramatische Wahlerfolge nur ein Schritt vorwärts, indem sie denkende ArbeiterInnen und Jugendliche anregen, sich in den politischen Kampf zu begeben, um für die Interessen der Arbeiterklasse zu kämpfen, mit anderen Worten, wenn sie einen Schritt zur Gründung einer neuen Arbeitermassenpartei darstellen. Dies ist nicht garantiert.
Eine besonders wichtige Aufgabe für eine neue Formation heute, wo die Arbeiterklasse sehr zynisch gegenüber kapitalistischen Politikern ist, ist zu beweisen, dass ihre VertreterInnen völlig anders als die geldraffenden „Karriere“politiker ist.
Deshalb ist es unglücklich, dass sich Respect nicht zu einer Politik verpflichtet, dass ihre gewählten VertreterInnen nur das wöchentliche Durchschnittseinkommen eines Facharbeiters annehmen (die genaue Zahl könnte natürlich durch demokratische Diskussion festgelegt werden).
In der Vergangenheit nahmen Dave Nellist, Terry Fields und Pat Wall, drei marxistische Labour-Abgeordnete, die die Militant-Tendenz (Vorläufer der Socialist Party) unterstützten, alle den Durchschnittslohns eines Facharbeiters.
Dies bedeutete, dass sie in Verbindung mit den Arbeitervierteln blieben, die sie vertraten, und dass es auch klar war, dass sie „saubere Finger“ hatten. Joe Higgins, gegenwärtig ein Abgeordneter der Socialist Party in Irland, macht das selbe. Wir nehmen die selbe Haltung auch in den Gewerkschaften ein. Martin Powell-Davies zum Beispiel, der gegenwärtig für den Generalsekretär der National Union of Teachers [Lehrergewerkschaft] kandidiert, verpflichtet sind, weiterhin das Gehalt eines Lehrers im Klassenzimmer zu beziehen.
Zum Schluss: trotz unserer Kritik an Respect hoffen wir, sowohl jetzt als auch in der Zukunft beim Aufbau einer sozialistischen Alternative in England und Wales zusammenzuarbeiten.
Wohin jetzt mit Respect?
In unserer Diskussion mit George Galloway akzeptierte er, dass Respects demokratische Strukturen „unvollkommen“ seien. Er argumentierte, dass dies daran liegt, dass Respect in der Bewegung gebildet wurde und dass eine demokratische, föderale Struktur nach dem Juni eingeführt würde.
Wir begrüßten diese Absicht. Aber wir betonten die Notwendigkeit von Einbeziehung und Dialog sogar vor der Errichtung formaler Strukturen. Leider zeigte der Kongress am Sonntag manche der möglichen Probleme für Demokratie in Respect.
Von den 1.400 anwesenden waren mehr als die Hälfte Mitglieder der Socialist Workers‘ Party (SWP). Dies hieß nicht nur, dass die von der SWP eingenommene Position in jedem Fall diejenige war, die beschlossen wurde, sie versuchten auch, jeden, mit dem sie nicht übereinstimmten, durch feindselige Zwischenrufe zu stören. Wenn Respect Erfolg haben soll, werden künftige Treffen und Konferenzen eine andere Herangehensweise haben müssen.
Socialist Party, England und Wales (Schwesterpartei der SAV in England und Wales)