Auch der Peters-Flügel gibt keine Antworten, wie der Klassenkampf von oben zurückgeschlagen werden kann.
Die Basis der IG Metall und aller anderen Gewerkschaften muss nachlegen und die Gewerkschaften für sich zurückerobern. Eine programmatische und personelle Alternative zur jetzigen Führung ist nötig.
von Ursel Beck, Stuttgart
Mit Sozialkahlschlag, Angriffen auf die Gewerkschaften und betrieblichen AktivistInnen, einer knallharten Haltung der Arbeitgeber beim Ostmetallerstreik zeigen die Unternehmer und ihre Vertreter in den Regierungen, worauf sie es zur Zeit anlegen: Sie wollen die die Profite auf Kosten des Lebensstandards der Masse der Bevölkerung steigern. Sie führen Klassenkampf von oben.
Die Reaktion der Gewerkschaftsspitzen ist völlig unzureichend. Die Krise der Gewerkschaften ist Ausdruck der Unfähigkeit der unterschiedlichen Flügel, darauf die passende Antwort zu geben. Der „Traditionalisten“-Flügel um Peters versucht mit den alten Methoden unter Kontrolle von oben einzelne Kämpfe zu führen und ist völlig hilflos angesichts der Gangart des Kapitals. Der „Modernisierer“-Flügel greift die gesamt Ideologie der Unternehmer und ihrer Regierung auf und trägt sie in die Gewerkschaften. Das läuft auf eine vorwegnehmende grundlegende Kapitulation hinaus.
Die Vorkommnisse an der Spitze der IG Metall in den letzten Wochen haben in aller Schärfe diese Verkommenheit heutiger Spitzenfunktionäre und Betriebsratsfürsten zum Ausdruck gebracht.
Da wird ein Streik organisiert mit der Maßgabe: keine Fernwirkung. Da wird nichts getan, um der Anti-Streik-Propaganda der Unternehmer und Medien Paroli zu bieten. Da wird mitten im Streik von Funktionären öffentlich der Streikabbruch gefordert. Da verkündet der Vorsitzende über die Medien den Streikabbruch. Weder die Streikenden noch die zuständigen Gremien werden gefragt.
Diese Art von Gewerkschaftspolitik ist symptomatisch für Funktionäre, die nicht für die Gewerkschaftsbewegung leben, sondern von ihr. Mit ihren Spitzengehältern sind sie den Managern in den Betrieben näher als der Mitgliedschaft. Politisch haben sie sich längst ausgesöhnt mit dem Profitsystem. Zwickel, Huber und viele andere Funktionäre sind SPD-Mitglieder und folgen dem neoliberalen Kurs von Schröder.
Mit den „Mordernisierern“ ins 19. Jahrhundert
Zwickel und die Mehrheit im IG-Metall-Vorstand hatten sich zum Ziel gesetzt, in der IG Metall den Weg der SPD nachzuvollziehen. Zu diesem Zweck wurde 2001 die sogenannte „Zukunftsdebatte“ initiiert und ein „Zukunftsmanifest. Offensive 2010“ vorgelegt.
Im Kern geht es darum eine Gewerkschaft zu schaffen, die keinen grundlegenden Interessensgegensatz zwischen Unternehmern und Beschäftigten mehr kennt. Gewerkschaftliche Grundsätze sollen über Bord geworfen werden. Nach Zwickel und Co soll Abschied genommen werden von einer umverteilenden Tarifpolitik und weiterer Arbeitszeitverkürzung. Stattdessen soll es eine Vielfalt von Arbeitszeiten und Arbeitsverhältnissen geben. Selbst den Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung der Sozialversicherung und höhere Eigenbeteiligung der Versicherten werden in dem Zukunftsmanifest erwogen.
„Modernisierer“ Huber
Der Bezirksleiter Berthold Huber ist für die Modernisierer um Zwickel der ideale Mann, um die weitere Anpassung der IG Metall durchzusetzen. Huber soll im Hauptvorstand für Tarifpolitik zuständig sein. Er ist erklärter Befürworter von etragsabhängigen Abschlüssen. Huber stützt sich wie Zwickel vor allem auf die Betriebsratsfürsten in den Großbetrieben.
Er ist der Meinung, dass die Leute zu früh in Rente gehen. Er spricht sich für die Kürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld für Jüngere auf unter 12 Monate aus und meint wie Schröder: „Die Substanz des Sozialstaats ist nicht gefährdet, wenn einzelne Leistungen gekürzt werden“. Wenn es nach Huber geht, sollen Freizeitunfälle und andere Risiken privat versichert werden.
Daraus ergibt sich, dass Huber für die Basis der IG Metall untragbar ist und verhindert werden muss. Beim IG-Metall-Kongress sollte deshalb ein Gegenkandidat gegen ihn aufgestellt werden.
Allen Mauscheleien zwischen Huber und Peters über die Peters-Nachfolge in vier Jahren muss ein Strich durch die Rechnung gemacht werden.
Aber es ist auch notwendig die Betriebsratsfürsten, die Huber stützen, zu entmachten. Gegen alle, die offen gegen den Streik in Ostdeutschland aufgetreten sind, sollten Ausschlussverfahren beim IG-Metall-Kongress beantragt werden. Bei den nächsten Betriebsratswahlen sollten sie und ihre Seilschaften abgewählt werden. Notfalls müssen alternative Listen aufgestellt werden.
Peters und die „Traditionalisten“
Peters und Co verzichten, den Konflikt zu einer politischen Ausein-andersetzung und Offensive gegen die Modernisierer zu machen
Funktionäre wie Peters vertreten den Flügel der „Traditionalisten“. Sie distanzieren sich eher von der SPD und wollen nicht alles mitmachen, was Schröder und die Unternehmer vorgeben. Sie wollen den Kapitalismus eher mit staatlichen Eingriffen statt mit Neoliberalismus managen. Deshalb wollte Zwickel Peters als seinen Nachfolger verhindern und Huber durchsetzen. Nachdem dieser Versuch im April durch die nicht geschäftsführenden Vorstandsmitglieder verhindert wurde, sollte der Streikabbruch genutzt werden, um Peters Kandidatur erneut zu kippen.
Peters und Co haben leider nicht den geringsten Versuch unternommen, den Konflikt um die Zwickel-Nachfolge und über den Streik in Ostdeutschland zu einer politischen Auseinandersetzung und Offensive gegen die Modernisierer zu machen.
Gestützt auf die Empörung der Basis hätte Peters nicht nur seinen Posten verteidigen, sondern auch die Basis für eine Fortsetzung des Streiks und die Westausdehnung mobilisieren können. Darüber hinaus hätte er die ganze Sache zum Anlass nehmen können, die ohnehin in Gang gekommene Debatte über die politische Ausrichtung der IG Metall und über Grundsätze innergewerkschaftlicher Demokratie zu forcieren, um den Modernisierern jeden Führungsanspruch streitig zu machen und die Autorität der Betriebsratsfürsten zu untergraben. Doch es ist kein Zufall, dass Peters all das nicht anging.
Dass es Peters dabei beließ, seinen Posten zu verteidigen, den Modernisierern wieder Zusammenarbeit anbietet und sich mit Huber als seinen Vize einlassen will, zeigt dass die Unterschiede zwischen Peters und Huber nicht sehr groß sind. Beide Flügel treibt vor allem die Sorge, dass der Autoritätsverfall des Vorstands dazu führen kann, dass sich die Basis bald nichts mehr sagen lässt von ihren Spitzenfunktionären.
Peters ist hauptverantwortlich für den VW-Tarifvertrag 5000 x 5000 (weniger Lohn bei Arbeitszeiten bis zu 48 Stunden in der Woche, im Drei-Schicht-Betrieb und Samstagsarbeit). Peters war im Vorstand verantwortlich für die Niedrigabschlüsse und langen Laufzeiten bei den Tarifabschlüssen der letzten Tarifrunden. Und Peters hat vor kurzem mitgeholfen die Hartz-Pläne umzusetzen und Tarifverträge für Leiharbeiter mit Hungerlöhnen ausgehandelt und diesen auch noch als „Meilenstein in der Geschichte der Tarifpolitik“ bezeichnet.
Opposition organisieren – Ein schlagkräftiger Flügel jenseits von Huber und Peters ist nötig
Im Kampf gegen die Modernisierer muss Peters verteidigt werden. Das darf aber keine kritiklose Unterstützung sein. Dringender denn je werden Gewerkschaften benötigt, die den Klassenkampf von oben mit Klassenkampf von unten beantworten.
Die Propaganda von der „historischen Niederlage“ des Ostmetallerstreiks und die relativ schwache Beteiligung bei den Kundgebungen gegen die Agenda 2010 werden von der Gewerkschaftsführung benutzt, um uns einzureden, die Gewerkschaften wären nicht mehr streik- und nicht mehr mobilisierungsfähig. Auf der Grundlage dieser angeblichen Schwäche soll Akzeptanz für Schröders Agenda 2010 und weitere Zugeständnisse an die Unternehmer geschaffen werden.
Der Versuch der Modernisierer durch Sabotage des Streiks einen Durchmarsch zu machen, hat aber auch gezeigt, dass diese Spitzenfunktionäre die Stimmung an der Basis verkennen. Die Reaktion der Basis auf die flügelkampfmotivierte Führungskrise zeigt die enorme Kampfbereitschaft und die tiefe Ablehnung gegenüber der Kumpanei mit Regierung und Kapital.
Gestützt auf diese Stimmung muss eine innergewerkschaftliche Opposition aufgebaut werden, die eine programmatische und personelle Alternative zu beiden Flügeln anbietet, die derzeit die IG Metall beherrschen.
In der bundesweiten Initiative für Vernetzung der Gewerkschaftslinken sind viele MetallerInnen vertreten. Es gibt einige örtliche Vernetzungen von Gewerkschaftslinken, wie das Zukunftsforum Stuttgart, BISS in Köln, Gegenwehr ohne Grenzen in Bochum beziehungsweise die Ruhrkoordination usw.
Der nächste Schritt wäre, sich stärker zusammen zu schließen: Klare organisatorische Strukturen, mit demokratischen Entscheidungen, Absprachen und koordinierenden Ausschüssen, die für die Linken sprechen und Initiativen ergreifen, müssen aufgebaut werden.
Eine linke Kandidatur gegen Huber auf dem Gewerkschaftstag verbunden mit einer Einladung zu einem bundesweiten Treffen zum Aufbau eines neuen, kämpferischen und demokratischen Flügels in der IG Metall könnte die Ausgangslage für ein gemeinsames Eingreifen in die Auseinandersetzungen in der IG Metall und die daraus folgenden Kämpfe gegen Sozialkahlschlag, Unternehmeroffensive in den Betrieben und bei der bevorstehenden Tarifrunde grundlegend verändern.
Das wäre auch die Grundlage, um allen wütenden und frustrierten KollegInnen, die am liebsten die Mitgliedsbücher hinschmeißen wollen, eine Perspektive in der IG Metall zu bieten, sie zu aktiver Gewerkschaftsarbeit zu gewinnen und die Krise der Gewerkschaft zu überwinden.
Ursel Beck ist gewerkschaftspolitische Sprecherin der SAV