Ausreisezentren klingen zwar wie eine Serviceeinrichtung am Flughafen, dienen aber einer rassistischen Abschiebepraxis
von Melanie Moll, Köln
Durch rückkehrorientierte Beratung und Betreuung soll laut Gesetzestext die Bereitschaft der ins Ausreisezentrum eingewiesenen Flüchtlinge zur freiwilligen Ausreise gefördert werden. Was sich hinter dieser Förderung verbirgt, bestätigt dann auch die schlimmsten Vermutungen: Die Menschen werden, generell unbefristet, in Mehrbettzimmern untergebracht, an sozialen Leistungen erhalten sie lediglich drei Mahlzeiten am Tag beziehungsweise Lebensmittelpakete.
Der Besuch von Deutschkursen ist ihnen verboten, ebenso wie Erwerbsarbeit, wogegen sie zum Teil zu gemeinnütziger Arbeit mit einem Stundenlohn von höchstens einem Euro pro Stunde verpflichtet werden. Ärztliche Grundversorgung darf nur nach Genehmigung der Behörden in Anspruch genommen werden, BesucherInnen müssen sich an Besuchszeiten halten, an den Zäunen der Lager finden Zugangskontrollen statt um nur einige der Repressionen zu nennen, denen sich die LagerinsassInnen, von der vollständigen sozialen Isolation ganz zu schweigen, ausgesetzt sehen.
Dem Straffvollzug ähnelt auch die Unterbringung. In Fürth zum Beispiel stehen die Container, die das Ausreisezentrum darstellen, mit Stacheldraht abgetrennt auf dem Gelände der Gemeinschaftsunterkunft für AsylbewerberInnen. Damit wird der Eindruck geschürt, hier würden Personen wohnen, vor denen die Bevölkerung geschützt werden müsse. Das führt zusätzlich zur Kriminalisierung der Flüchtlinge in der Öffentlichkeit.
Die Behörden schikanieren Flüchtlinge, denen vorgeworfen wird, ihre Identität absichtlich zu verschleiern beziehungsweise nicht genügend mitzuwirken durch regelmäßige Verhöre, Zimmerdurchsuchungen nach Papieren, persönlichen Briefen und anderen Dokumenten auch bei FreundInnen und Verwandten sowie Vorführungen bei Botschaften angenommener Herkunftsländer, um Herkunftsland und Identität festzustellen und so eine Abschiebung möglich zu machen.
Das geschah auch jüngst im Falle des russischen Deserteurs Dimitri Olenin dessen Asylantrag übrigens abgelehnt wurde, da er seine Identität nicht nachweisen konnte. Nun erwarten ihn bis zu 25 Jahre Haft.
Der massive Druck soll natürlich auch dazu dienen, eine freiwillige Ausreise herbei zu führen.
Illegalität erwünscht?
Selbst die Tatsache, dass eine Einweisung in ein solches Sammellager weitaus häufiger das Abtauchen der Flüchtlinge in die Illegalität nach sich zieht, als dass die Abschiebung oder Ausreise tatsächlich erreicht wird, scheint zumindest die Behörden in Rheinland-Pfalz nicht zu stören: wie man in einem Bericht lesen konnte, würden so wenigstens die sowieso geringen den Menschen zustehenden Sozialleistungen gespart.
Auch von bestimmten Wirtschaftszweigen, wie zum Beispiel dem Gaststätten- und Baugewerbe, wird dies begrüßt, da sich Illegale ja nicht gegen die Ausbeutung ihrer Arbeitskraft zur Wehr setzen können und so billige Arbeitskräfte darstellen.
Ausreisezentren, zum Teil auch als Modellprojekte oder ähnliches bezeichnet, deren eigenständige Grundlage eigentlich das neue und abgelehnte Zuwanderungsgesetz sein sollte, existieren schon in den Bundesländern Bayern (Fürth, weitere in Planung), Rheinland-Pfalz (Ingelheim), Sachsen-Anhalt (Halberstadt), Niedersachsen (Oldenburg, Braunschweig) und demnächst auch in Hamburg. Ein Lager in Nordrhein-Westfalen wurde nach dem Selbstmord eines Insassen wieder geschlossen.
Nachdem eine Familie gegen ihre Unterbringung in einer Art Ausreisezentrum geklagt hatte, kam sogar ein Verwaltungsgericht in Trier zum Schluss, den Aufenthalt und die strafähnliche, auf Schikanen und psychischen Druck basierende Behandlung der Flüchtlinge in den Lagern als unzulässigen Beugevorgang zu bewerten.