Zwei Artikel aus der VORAN (der Vorläuferzeitung der Solidarität) Nummer 181 vom Juni 1996 zu der Debatte um einen Generalstreik gegen das „Sparpaket“ der Kohlregierung.
Eintägiger Generalstreik jetzt! – Volle Kampfkraft einsetzen
50.000 haben am 28. April gegen die Änderung der Ladenschlußzeiten demonstriert. Die Beteiligung bei den Warnstreiks im öffentlichen Dienst und den IG Metall-Protesten gegen das Sparpaket ist groß. Am 15. Juni werden hunderttausende demonstrieren. Doch wie kann der Kampf gegen Kohl und Kapital am effektivsten organisiert werden?
von Sascha Stanicic, Köln
Die SAV stellt die Forderung nach einem eintägigen Generalstreik auf, organisiert durch die DGB-Gewerkschaften. Ein gemeinsamer Kampf aller Arbeitnehmerlnnen – unter Einbeziehung der Schülerinnen, Studierenden, Arbeitslosen, Rentnerinnen – ist nötig. Schließlich betrifft das Sparpaket alle.
Wieso sollen montags die Metaller auf die Straße gehen, dienstags die ÖTV-Mitglieder, mittwochs die Verkäuferinnen und donnerstags die Studierenden? Es liegt auf der Hand, daß wir nur gemeinsam stark sein können.
Kohl und Kapitatlisten hoffen, daß sie die Proteste aussitzen können – Kohl hat gesagt, ihm wür-
den die Drohungen der Gewerkschaften nicht imponieren – Deshalb müssen wir sie dort treffen, wo es ihnen weh tut – bei ihrem Geld! Wenn alle einen Tag die Arbeit niederlegen, verlieren die Unternehmer zig Millionen ihrer Profite. Streik ist die einzige Sprache, die sie verstehen. Ein eintägiger Generalstreik wäre das effektivste Mittel, einen gemeinsamen Kampf aller Arbeitnehmerlnnen zu beginnen.
Ein Generalstreik würde den Grund Widerspruch dieser Gesellschaft aufzeigen: den Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit, Die Arbeiterklasse würde an diesem Tag zusammengeschweißt und sich ihrer Macht bewußt.
Die Arbeiterinnen und Gewerkschaften, nicht die Unternehmer und Staatsbürokraten, entscheiden, welche Dienstleistungen an diesem Tag weiter angeboten werden, was mit der Stromversorgung geschieht usw. Die Arbeitnehmerlnnen würden erleben, daß sie „gemeinsame Interessen“ haben und daß es möglich ist für diese gemeinsam zu kämpfen,
Kann ein eintägiger Generalstreik das Sparpaket stoppen?
Ein eintägiger Generalstreik wäre eine scharfe Warnung an Regierung und Kapital, Gerade in Deutschland hätte er eine besondere Wirkung, da die Gewerkschaftsführung seit 1948 dieses Mittel scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Ein Massenstreik fördert die Selbstaktivität und Selbstorganisation in den Betrieben und an der Gewerkschaftsbasis und beinhaltet die Möglichkeit, daß die Gewerkschaftsführung die Kontrolle über die Basis verliert.
Es ist möglich, daß ein eintägiger Generalstreik ausreicht, um das Selbstvertrauen der Kapitalisten zu erschüttern, Meinungsverschiedenheiten über die weitere Strategie aufkommen zu lassen und sie zum Rückzug zu bewegen. Das ist aber nicht garantiert. Wenn ein eintägiger Generalstreik nicht ausreichen sollte, wäre er aber der beste Schritt, die Arbeitnehmerinnen zu weiteren Kampfschritten zu mobilisieren.
Wieso dann nicht gleich ein unbegrenzter Generalstreik?
Viele kämpferische Kolleginnen und Kollegen sagen, 24-Stunden-Generalstreik sei noch viel zu kurz. Damit haben sie Recht. Aber bevor man die Forderung nach einem unbegrenzten Generalstreik aufstellt, muß man sich fragen, ob die Kolleginnen und Kollegen eine solche Forderung zum jetzigen Zeilpunkt nachvollziehen können und ob sie einer solchen Auseinandersetzung mit dem Kapital gewachsen wäre.
Immer mehr Gewerkschaftsmitglieder sehen die Notwendigkeit, gemeinsame Gegenwehr zu organisieren. Ein Aufruf des DGB und der Einzelgewerkschaften zu einem eintägigen Generalstreik würde zweifelsfrei massenhaft befolgt werden.
Ein unbegrenzter Generalstreik wirft aber ganz andere Fragen auf, vor allem eine: die Machtfrage! Wer hat in diesem Land zu sagen: die Arbeitnehmerinnen und ihre Organisationen oder das Kapital und seine Regierung?
In einem unbegrenzten Generalstreik entstehen zwangsläufig alternative Machtzentren durch die streikenden Arbeiterinnen. Sie müssen Gremien schaffen, um den Streik zu organisieren, um zu entscheiden welche Dienstleistungen weiter angeboten werden, um Notversorgung zu organisieren, um zu entscheiden, welche Produkte (Nahrungsmittel, Medikamente) weiter produziert werden sollen und wie sie verteilt werden sollen, um ein eigenes Informationssystem aufzubauen.
Dies wurde zuletzt bei der Bewegung der französischen Arbeiterinnen deutlich. Dort entwickelten sich lokale und betriebliche Entscheidungsstrukturen der Streikenden. Beim 10-Millionen-Generalstreik in Frankreich im Jahr 1968 war die kapitalistische Regierung faktisch entmachtet. Präsident Charles de Gaulle war schon aus Frankreich geflohen, die ArbeiterInnen übten in vielen Fabriken die Kontrolle aus. Ihnen fehlte nur eine landesweite Koordinierung und eine Führung, die bewußt auf die Übernahme der Macht durch die Organe der streikenden Arbeiterinnen hingearbeitet hätte.
Der britische Premierminister Lloyd George sagte 1919 zu Gewerkschaftsführern, die mit einem Streik drohten:„Wenn Sie Ihre Drohung wahrmachen und streiken, werden Sie uns schlagen, aber haben sie die Folgen abgewägt, wenn sie dies tun sollten? (…) Denn wenn im Staat eine Kraft entsteht, die stärker ist als der Staat selber, dann muß sie bereit sein die Funktionen des Staates zu übernehmen oder sich zurückziehen und die Autorität des Staates akzeptieren.“ Damals waren die britischen Gewerkschaftsführer nicht bereit diese Konsequenzen eines Generalstreiks zu tragen. Noch weniger werden heute Schulte und Zwickel bereit sein, die Machtfrage zu stellen.
Deshalb ist ein unbegrenzter Generalstreik eine andere Frage, Über Erfolg oder Mißerfolg eines unbegrenzten Generalstreik entscheidet letztlich, ob die Arbeiterinnen eine kämpferische und entschlossene Führung haben. Die derzeitige Führung ist das nicht. Es ist möglich, daß sich eine neue Führung im Verlauf eines Generalstreiks entwickelt, wenn die streikenden Kolleginnen immer mehr in Widerspruch zu einer zögernden und kompromißbereiten Führung geraten. Einer solchen Führung bedarf es aber nicht nur an der Spitze der Gewerkschaften, sondern auch in Form einer neuen sozialistischen Arbeiterpartei. Deshalb muß heute schon der Kampf für den Aufbau einer kämpferischen innergewerkschaftlichen Opposition und für den Aufbau einer sozialistischen Alternative in der Arbeiterbewegung geführt werden.
Was käme nach einem eintägigen Generalstreik?
Mit einem eintägigen Generalstreik wäre der Kampf nicht vorbei, er würde erst anfangen. Ihm müßten weitere Mobilisierungen, Streiks und Betriebsbesetzungen folgen, bis die Regierung alle Sparpläne zurückgezogen hat.
Es ist gut möglich, daß im Zuge dieser Mobilisierungen weitere 24-stündige oder auch 48-stündige Generalstreiks nötig sind. Es ist auch möglich, daß sich die Bewegung so entwickelt, daß ein unbegrenzter Generalstreik auf die Tagesordnung gesetzt wird.
Das Kampfmittel des Generalstreiks ist in anderen Ländern inflationär angewandt worden, zum Beispiel in Italien oder Bolivien. Dort haben die Gewerkschaftsführer eintägige, vierstündige oder auch nur fünfminütige Generalstreiks dazu benutzt, Dampf abzulassen ohne diese mit einer weitergehenden Kampfperspektive zu verbinden.
Das ist nicht, was wir fordern. Ein eintägiger Generalstreik in Deutschland könnte aber nicht zum Dampf ablassen benutzt werden – dazu ist die Demonstration am 15. Juni ein Versuch. Ein Generalstreik würde den Kessel erst richtig zum Brodeln bringen.
Gegen das Sparpaket … und dann?
Mit ihrem Vorstoß für das „Bündnis für Arbeit“ haben die Gewerkschaftsführer den Unternehmern und der Kohl-Regierung den Weg zum Sparpaket geebnet. Denn sie haben die grundlegende Argumentation der Kapitalisten übernommen: „Lohnverzicht schafft Arbeitsplätze“.
Aufgrund des Drucks durch die Basis und das kompromißlose Verhalten der Arbeitgeber wurden die Gewerkschaftsführer in den letzten Wochen nach links gedrückt – wenigstens in ihren Worten. Doch Zwickel,Mai und Schulte werden wieder zu faulen Kompromissen bereit sein. Deshalb muß die Hauptforderung der Bewegung sein; Weg mit dem Sparpaket. Und das muß heißen: weg mit jeder einzelnen Forderung, die das Kapital in dem Sparpaket aufgestellt hat. Nein zu Zugeständnissen.
Eine Massenbewegung gegen das Sparpaket ist eine politische Bewegung gegen die Politik dieser Regierung. Es geht gegen eine Regierung, die seit 14 Jahren arbeiterfeindliche Politik betreibt und den Unternehmern Jahr für Jahr Steuergeschenke macht. Das Ziel der Bewegung muß deshalb auch der Sturz der Kohl-Regierung sein.
Die französischen Arbeiterinnen haben sich im Herbst/Winter letzten Jahres gescheut die Forderung nach dem Sturz der Regierung Chirac/Juppe aufzustellen, denn sie wußten nicht, was sie an dessen Stelle fordern sollen. Das ist kein französisches Problem. Die SPD tragt den Sozialabbau mit. Auch wenn sie sich gegen das Sparpaket stellt: in den Ländern und Kommunen macht sie dasselbe. Aber es gibt zur Zeit keine Alternative zu einer SPD-geführtcn Regierung. Der Sturz der Kohl-Regierung nach 14 Jahren wäre eine enorme Ermutigung für die Kolleginnen und Kollegen. Sie würden eine SPD-Regierung skeptisch betrachten und den Kampf gegen diese aufnehmen, wenn sie mit dem Sozialabbau weitermacht.
Wir treten für eine SPD/PDS-Regierung ein. Die PDS sollte ihren Eintritt in eine solche Regierung davon abhängig machen, daß das Regierungsprogramm ein Ende der Sozialkürzungen und die Umkehrung der Um Verteilungspolitik der letzten 14 Jahre vorsieht. Eine solche Regierung muß vom ersten Tag aus den Betrieben und von der Straße unter Druck gesetzt werden.
Wir brauchen eine Partei der arbeitenden Bevölkerung
Wenn wir einer SPD/PDS-Regierung nicht trauen können, dann heißt das nichts anderes, als daß die Arbcitnehmerlnnen in diesem Land heute keine eigene Partei mehr haben, auf die sie wirklichen Einfluß nehmen können und die kompromißlos ihre Interessen vertritt. Die Entwicklung der SPD geht weiter nach rechts als jemals zuvor. Die Ortsvereine leeren sich, die Arbeiterbasis geht mehr und mehr verloren, die Parteilinke ist zusammengebrochen. Die SPD ist auf dem besten Weg zu einer zweiten CDU zu werden, einer bürgerlichen Partei. Diese Entwicklung ist für die SPD nicht mehr umkehrbar.
Die PDS trägt den Sozialismus im Namen und hat den Anspruch die Interessen der einfachen Leute zu vertreten. Doch die Führung der PDS hat erstens niemals den notwendigen Bruch mit dem Stalinismus in der DDR vollzogen und wird deshalb von der Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung in Westdeutschland und einem Teil in Ostdeutschland nach wie vor abgelehnt. Zweitens ist sie auf dem besten Weg zur zweiten Sozialdemokratie zu werden. Sie versäumt es, wirklichen Widerstand zu organisieren und beginnt Kürzungspolitik mitzumachen, wo sie auf kommunaler Ebene in Verantwortung kommt.
Eine wirkliche Arbeiterpartei muß neu geschaffen werden. Die kämpferischsten Teile der Gewerkschaftsbewegung, der Jugend, den Bewegungen gegen Rassismus, Umweltzerstörung, Bildungs- und Sozialabbau, aus SPD und PDS haben die Aufgabe eine solche Partei zu gründen, die offen sein muß für jeden und jede, die für eine lebenswerte Zukunft kämpfen wollen.
Sie könnte auch, nach dem Vorbild der Vereinigten Linken in Spanien, die Form eines breiten linken Bündnisses annehmen, von dem die PDS ein Teil wäre. Die SAV will einen Beitrag zum Aufbau einer solchen Arbeiterpartei leisten.
Wir brauchen Sozialismus
Die Angriffe auf die arbeitende und arbeitslose Bevölkerung entspringen nicht nur dem bösen Willen von Kohl und den Unternehmern. Sie sind Ausdruck der tiefen Krise der kapitalistischen Gesellschaft und des wachsenden internationalen Konkurrenzkampfes. Doch wenn Konkurrenzkampf zu Arbeitsplatzvernichtung und Sozialabbau führt, dann spricht das nicht für Arbeitsplatzvernichtung und Sozialabbau, sondern gegen das Konkurrenzsystem.
Der Kapitalismus setzt gerade eine Spirale von Arbeitsplatzvernichtung, Massenarbeitslosigkeit und Armut in Gang, aus der es im Rahmen dieses Systems kein Entkommen gibt. Am Ende dieser Spirale haben wir auf der ganzen Welt Arbeitsbedingungen wie in Indien.
Alle Konzepte von sozialer Marktwirtschaft, vertreten durch die Führungen von SPD und Gewerkschaften – oder auch „sozialistischer Marktwirtschaft“ wie in der PDS vielfach gefordert – sind gescheitert und können keine ZukunftsPerspektive anbieten. Die Gesellschaft muß von Grund auf verändert werden – wir brauchen Sozialismus.
Sozialismus hat nichts mit den bürokratischen Diktaturen zu tun, die in der Sowjetunion und den anderen „sozialistischen“ Staaten herrschten. Sozialismus braucht Demokratie, wie der menschliche Körper Sauerstoff zum Atmen.
Sozialismus heißt, daß das planmäßig produziert wird, was gebraucht wird und nicht, was den meisten Profit für eine Minderheit von Kapitalisten bringt.
In der Marktwirtschaft endet Demokratie am Werkstor. Im Sozialismus sind die Betriebe in öffentliches Eigentum überführt und werden demokratisch durch die Arbeitnehmerinnen kontrolliert und verwaltet. Alle Personen in Leitungsfunktionen sind jederzeit wähl- und abwählbar und dürfen nicht mehr verdienen ab einen Facharbciterlohn.
Dürfen wir generalstreiken?
Ausgerechnet Gewerkschaftsführer waren es, die als erste das Mittel des Generalstreiks ablehnten und in Interviews Argumente gegen statt für ihn vorbrachten.
von Georg Kümmel, Köln
„Der Generalstreik ist illegal“
Tatsache ist: Regierung und Unternehmer halten sich selber nicht an ihre Gesetze: Kanzler Kohl und alle Minister haben sogar einen Eid geschworen, daß sie „Gerechtigkeit gegen jedermann üben“ werden. Ist das Sparpaket etwa gerecht? Ist eine Politik gerecht, die seit Jahren die Reichen reicher und die Armen ärmer macht? Im vielbemühten Grundgesetz steht auch: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“. Halten sich die Unternehmer etwa daran?
Und wenn Regierung und Kapital die Gesetze nicht mehr passen, dann ändern sie sie. Das Grundgesetz ist schon oft geändert worden. Bisher steht allerdings noch das „Recht zum Widerstand“ darin, gegen jeden, der die Bundesrepublik als „sozialen Bundcsstaat“ abschaffen will. Und wer wird ernsthaft be/weifeln, daß die Regierung, wenn man sie gewahren läßt, alles abschaffen wird, was in diesem Staate noch sozial ist?
Regierung und Unternehmer begründen gerne den Abbau sozialer Rechte und Standards mit „Europa“. Im umgekehrten Fall scheren sie sich nicht darum. Nach international geltendem Arbeitsrecht sind Streiks gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik einer Regierung nämlich erlaubt, In den vergangenen Jahren gab es Generalstreiks in Spanien, Griechenland, Italien, Belgien.
Die ganze Paragraphenreiterei hat aber einen ganz anderen Hintergrund: Regierung und Unternehmer wissen, daß sie nur eine kleine Minderheit in der Gesellschaft sind. Wenn sie also per Gesetz der Mehrheit Geld wegnehmen wollen um es sich, der Minderheit, zu geben und die Mehrheit sich dann ernsthaft wehren will, bekommen sie Angst und rufen „Halt – das ist verboten“. Und Schulte und Zwickel scheinen immer noch mehr Angst um den Fortbestand der Regierung als um das Wohl und Wehe von Millionen Menschen zu haben.
Wenn die Mehrheit der Bevölkerung, laut Umfragen 75 Prozent, das Sparpaket ablehnt, wenn dann Millionen Menschen dagegen streiken, soll das dann Unrecht sein?
„Wir streiken nicht gegen ein demokratisches Parlament und eine freigewählte Regierung“
(IG-Metall-Vorsitzender Zwickel)
Warum nicht? Die Konsequenz aus dieser Einstellung wäre: Egal welche Sparschweinereien, Gesetze und Maßnahmen diese Regierung beschließt, wir streiken nicht. Bleibt noch die Frage, gegen wen die IG Metall und andere Gewerkschaften denn in der Vergangenheit demonstriert und auch gestreikt haben? Zum Beispiel bei den Streiks im Kampf um das Betriebsverfassungsgesetz 1952, bei den Arbeitsniederlegungen gegen das Mißtrauensvotum gegen den damaligen Bundeskanzler Willy Brandt 1972, bei den Streiks gegen die Änderung des Paragraphen 116 AFG 1986, mit den Arbeitsniederlegungen gegen die geplante Einführung von Karenztagen 1993 und die jüngsten Arbeitsniederlegungen gegen das Sparpaket.
Die Regierung hat keine Mehrheit für ihr Umvcrteilungspaket hinter sich. Es ist absolut demokratisch, wenn ihre Pläne gekippt werden, wenn nötig durch einen allgemeinen Streik.
„Generalstreik… ist ein politischer Streik, Der ist erst einmal von uns nicht gewollt“.
(DGB-Vorsitzender Schulte)
Tarifstreik ja – politischer Streik nein? Der Kampf gegen das Sparpaket hat denselben Inhalt wie ein Tarifstreik: Es geht um Geld und es ist ein Kampf zwischen arbeitender Bevölkerung und Kapital. In wessen Interesse und in wessen Auftrag handelt die Regierung wohl, wenn sie die Vermögenssteuer und die Gewerbekapitalsteuer abschaffen und gleichzeitig die Lohnfortzahlung kurzen will? Die Regierung ist doch nur der Strohmann, der das Geschäft der Unternehmer erledigt.
Ob ein großer Tarifkampf gewonnen oder verloren wird, hat große politische Auswirkungen. Wenn die Unternehmer Druck auf die Regierung ausüben, um ihre Interessen durchzusetzen, dann ist es nur recht und billig, wenn die Arbeiterbewegung Gegendruck macht, um ihre Interessen zu verteidigen. Die Unternehmer setzen ihre wirtschaftliche Macht ein, sie drohen die Produktion zu verlagern oder noch mehr Menschen arbeitslos zu machen. Was bleibt uns anderes übrig, als unsere einzige Waffe den Streik, einzusetzen? Wenn die Kapitalisten und Regierung die Axt an unsere Rechte und Einkommen anlegen, können wir uns nicht darauf beschränken, Pappschilder hoch zu halten.
„Wir haben genügend Instrumente (unterhalb des Generalstreiks), um uns zur Wehr zu setzen.“
DGB-Vorsitzender Schulte
Protestieren Ja, streiken Nein? Kohl sagt aber, die Drohungen der Gewerkschaften „imponieren mir überhaupt nicht“. Eben deshalb darf nicht nur gedroht und gepfiffen werden.
Oder sollen wir uns auf Maßnahmen beschränken die, wenn es hart auf hart kommt, wirkungslos sind? Beschränkt sich die Regierung etwa auf Gesetze, die wirkungslos sind?
Die Regierung hat im Verein mit den Unternehmern durch ihren Generalangriff den Generalstreik auf die Tagesordnung gesetzt. Wenn im Krieg der Gegner an allen Fronten gleichzeitig angreift, dann kann man doch nicht die eigenen Truppen nacheinander in die Schlacht führen. So verheizt man die eigenen Kräfte und die Niederlage ist vorprogrammiert.
„Das Gerede vom Generalstreik hat der BDI-Präsident (Henkel) initiert. Mit Sicherheit bewußt, weil er uns gerne genau in diese Ecke stellen würde. Und dann diskutiert alles über Generalstreik und nicht mehr über die Vorhaben der Koalition.“
DGB-Vorsitzender Schulte
Dieser Satz von Schulte ist leider kein Scherz. Aber angenommen Henkel hätte tatsächlich das „Gerede vom Generalstreik“ angeleiert: Das Ziel von Regierung und BDI-Chef Henkel ist, das Umverteilungspaket durchzusetzen. Unser Ziel ist auch nicht, darüber zu „diskutieren“, sondern es zu verhindern. Das beste Mittel, die Strategie von Henkel zu durchkreuzen, ist einen Generalstreik zu machen.