Rot-Grün forciert den Umbau der Bundeswehr zur Interventionstruppe
von Choni Flöther, Bremen
Im Herbst letzten Jahres hat die Ablehnung des Irak-Krieges Gerhard Schröder zum erneuten Wahlsieg verholfen. Dass hinter der Gegnerschaft der rot-grünen Regierung zum Krieg keine neu erwachte „Friedensliebe“ steckte, hat sich in der praktischen Unterstützung der Kriegshandlungen durch den Einsatz von AWACS und Spürpanzern, der Gewährung der Überflugsrechte und Entlastung US-amerikanischer Soldaten durch deutsches Militär gezeigt. Die Selbstdarstellung der deutschen Regierung als friedliebendes „Old Europe“ soll über die eigenen militärischen Anstrengungen der Bundeswehr hinweg täuschen.
Auch die Diskussion um ein Entsendegesetz wurde vorsorglich auf die Zeit nach dem Irak-Krieg verschoben, um nicht die Propaganda des „Friedens-Kanzlers“ zu zerstören. Dabei ist Rot-Grün dem Vorschlag der CDU sehr zugeneigt, ein Entsendegesetz zu verabschieden. Danach wäre für Einsätze der Bundeswehr im Ausland nicht mehr grundsätzlich eine Abstimmung im Bundestag notwendig, wie das heute noch festgeschrieben ist. Die Kontrolle über die Bundeswehr würde dadurch dem Parlament entzogen und deutlich mehr in die Hände des Regierungskabinetts übergehen.
Die Diskussion um ein Entsendegesetz reiht sich ein in die Entwicklung der Bundeswehr nach 1989. Seit der Wiedervereinigung unternimmt die deutsche Regierung zunehmend Maßnahmen, um den wirtschaftlichen Riesen Deutschland auch militärisch wieder die entsprechende Bedeutung zukommen zu lassen. Die militärische Bedeutungslosigkeit Deutschlands nach dem Ende des Hitler-Faschismus soll endlich ein Ende haben. Im Krieg gegen Jugoslawien mutierte die deutsche Vergangenheit und der Holocaust von der Begründung militärischer Zurückhaltung zur Begründung für die angebliche Verantwortung Deutschlands, jetzt auch militärisch mitzumischen.
Die Ostfront am Hindukusch
Mit Einsätzen kleiner Kontingente (zum Beispiel in Kambodscha, Somalia und Ex-Jugoslawien Anfang der 1990er) wurde die Bevölkerung nach und nach an die neue Militarisierung der deutschen Außenpolitik gewöhnt. Die verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992 verdeutlichen, welche Interessen dadurch gesichert werden sollen: Aufgabe der Bundeswehr sei die „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen“.
Die Umorientierung der Bundeswehr auf weltweite Militäreinsätze wurde mit dem Regierungswechsel 1998 nicht nur weitergeführt, sondern unter Rot-Grün noch verschärft. So beteiligte sich Deutschland 1999 in Jugoslawien zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg an einem Angriffskrieg.
Aber nicht genug damit, dass der Balkan zu „unserem Hinterhof“ erklärt wurde (Die Welt, 30. 06. 2001). So stellte Verteidigungsminister Struck Ende 2002 fest: „Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt“.
Im Mai sollen nun neue verteidigungspolitische Richtlinien die aus dem Jahr 1992 ersetzten. Im Februar gab Struck auf einer Pressekonferenz bereits elf Kriterien der neuen Richtlinien bekannt. Darin wird deutlich, dass die Bundeswehr endgültig zu einer Interventionsarmee ausgebaut werden soll.
Die nach dem Zweiten Weltkrieg zugeschriebene Funktion als Verteidigungsarmee hat ausgedient. Dementsprechend soll das Militär umgerüstet werden. Investiert wird vor allem in die Beschaffung von Abstands- und Präzisionswaffen und in weltweit einsetzbare Transport-, Führungs- und Kommunikationssysteme. Alle Mühe gibt sich der Verteidigungsminister auch, seinen Etat erhöht zu bekommen. So jammerte er Mitte April, der amerikanische Verteidigungsminister habe acht mal so viel Geld zur Verfügung. Aber vom Verteidigungsetat der USA wird Struck auch unter einer kriegsbereiten Bundesregierung noch lange träumen müssen.
Mit Hilfe von „Old Europe“
Da die einzelnen europäischen Länder im Wettrüsten mit den USA noch lange im Hintertreffen wären, ist eine gemeinsame europäische Militärpolitik ein wichtiger Teil auch der deutschen Außenpolitik. So wird in den bisher bekannten neuen Verteidigungs-Richtlinien wiederholt auf die gemeinsame Sicherheitspolitik mit „Verbündeten und Partnern“ hingewiesen.
Der Konflikt im Irak-Krieg mit den USA und Großbritannien hat gezeigt, dass es gerade Deutschland und Frankreich sind, die mit einer europäischen Zusammenarbeit versuchen, in absehbarer Zeit militärisch mit den USA konkurrieren zu können. Bereits im Sommer 2003 soll die „Schnelle Eingreiftruppe“ der EU einsatzbereit sein. Die 60.000 Personen starke Truppe soll innerhalb von 60 Tagen überall in der Welt „eingreifen“ (sprich: angreifen) können. Die Führung der Truppe übernimmt ein deutscher General und Deutschland wird das größte Kontingent an SoldatInnen stellen.
Doch nicht nur die Konflikte zwischen den großen imperialistischen Blöcken USA und EU verschärfen sich. Auch innerhalb der EU ist das Konfliktpotential groß und der Erfolg einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ungewiss. Aber die deutsche Regierung nutzt alle Möglichkeiten, damit der deutsche Imperialismus auch militärisch wieder ?wer ist?.