„Staatengemeinschaft”? – Kapitalistische Konkurrenz!

Die Kluft zwischen den USA einerseits und Deutschland und Frankreich andererseits ist kein Betriebsunfall

von Wolfram Klein, Stuttgart

Zur Zeit des letzten Golfkriegs begann in den Medien die „Staatengemeinschaft” herumzuspuken, der sich angeblich der Irak entgegenstellte. In den folgenden Jahren tauchten noch ein paar weitere „Schurkenstaaten” auf, denen, so wurde gesagt, diese mysteriöse Staatengemeinschaft gegenüberstand. Im Vorfeld des Golfkriegs von Bush Junior erwies sich diese „Gemeinschaft” als totat zerstritten. Was steckt dahinter?
Das kapitalistische Wirtschaftssystem beruht auf Konkurrenz. Sie ist der Mechanismus, durch den die wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten des Systems den einzelnen Unternehmen aufgezwungen werden. Aber nicht nur zwischen den Unternehmen, auch zwischen den Staaten, die ihre Interessen vertreten, herrscht Konkurrenz. Das war im Kapitalismus von Anfang an so. Schon im Spätmittelalter bekämpften sich die italienischen Stadtstaaten, zum Beispiel Venedig und Genua. Im Frühkapitalismus konkurrierten Spanien und Portugal im 16., Spanien und die Niederlande im 17. und England und Frankreich im 18. Jahrhundert. Dieser Konkurrenzkampf spitzte sich immer wieder zu blutigen Kriegen zu. Nur für kurze Zeiten gelang es einzelnen Ländern, die wirtschaftliche Vorherrschaft in der kapitalistischen Weltwirtschaft zu erlangen und dem Rest der Welt ihre Spielregeln weitgehend aufzudrücken (England 1815-1873, USA nach 1945).

Zerstörerischer Konkurrenzkampf

Dieser Konkurrenzkampf bekam im 20. Jahrhundert einen noch zerstörerischeren Ausdruck als früher, weil der Kapitalismus aufhörte, eine fortschrittliche Rolle zu spielen und zum Imperialismus wurde. Indem die Weltpolitik der großen Industrie „kolossalere und massenhaftere Produktivkräfte [Fabriken, Werkzeuge, Maschinen, Heere von Arbeitskräften …] schuf, rüttelte sie ungebärdig an den Schranken der bürgerlichen Gesellschaft, rief sie die Epidemie der Überproduktion hervor, worin diese Gesellschaft verkommt, weil sie zu viel Zivilisation, zu viel Lebensmittel, zu viel Industrie, zu viel Handel besitzt, führte sie den antagonistischen [widersprüchlichen] Charakter der kapitalistischen Produktionsweise auf seinen einfachsten und klarsten Ausdruck zurück, auf den Klassenkampf zwischen Bourgeoisie [Kapitalisten] oder Proletariat [Arbeiterklasse], der nur enden kann, sei es mit dem Siege des Proletariats oder mit der Rückbildung der Zivilisation in die Barbarei. […] Die Weltpolitik der großen Industrie schlug um in die Weltpolitik des krachenden Kapitalismus.” Das schrieb der marxistische Historiker Franz Mehring im April 1900.
Da wegen dem Versagen beziehungsweise dem Verrat der Führungen der meisten Arbeiterorganisationen eine erfolgreiche internationale, sozialistische Umgestaltung ausblieb, war das 20. Jahrhundert durch wiederholte „Rückbildung der Zivilisation in die Barbarei” geprägt: zwei Weltkriege, Faschismus, die Ermordung von sechs Millionen JüdInnen durch die Nazis, die Entwicklung von Atombomben und anderen furchtbaren Massenvernichtungswaffen und so weiter.
1945 hatten die USA sich als führende kapitalistische Macht etabliert. 52 Prozent aller weltweit produzierten Güter wurden dort hergestellt. Der Vorsprung bei Technologie und Produktivität war beträchtlich. Noch 1955 erreichten zum Beispiel die BRD und andere Industrieländer nur 35 bis 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der USA pro Arbeitsstunde. Durch das Währungssystem von Bretton Woods, in dem die anderen Währungen an den Dollar gekoppelt wurden, durch Internationalen Währungsfonds und Weltbank, in denen die USA das Sagen haben, wurde die US-Vorherrschaft institutionalisiert.
Auf der anderen Seite wurde die Sowjetunion gestärkt, in der der Kapitalismus gestürzt worden war, aber wegen der Isolation der russischen Revolution 1917 kein Sozialismus entstand, sondern die brutale Diktatur einer privilegierten Bürokratie, der Stalinismus. In den Nachkriegsjahren breitete sich der Stalinismus bis zur Elbe und bis nach Südostasien aus. Der Konkurrenzkampf zwischen zwei gegensätzlichen Gesellschaftssystemen drängte die innerimperialistische Konkurrenz in den Hintergrund.

US-Vorherrschaft nach 45

Zunächst versuchten die alten Großmächte England und Frankreich noch, ihre Kolonialreiche zu behalten, während der US-Imperiaismus gegen den Kolonialismus eintrat: mit seiner technologischen Überlegenheit und seinen Geldmittel konnte er auch formell unabhängige Länder beherrschen, das hieß, er setzte auf Neokolonialismus statt auf direkte Kolonialherrschaft. Der Konflikt fand seinen schärfsten Ausdruck in der Suezkrise, als britische und französische Imperialisten gemeinsam mit Israel Ägypten überfielen, weil das ihre alten kolonialen Privilegien angetastet hatte. Die USA machte ihnen – gemeinsam mit der Sowjetunion – deutlich, dass sie nur noch zweit- oder drittrangige Mächte waren.
Die ungeheuren Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs hatten den Weg frei gemacht für einen kräftigen Wirtschaftsaufschwung, in dem die ArbeiterInnen der führenden kapitalistischen Länder beträchtliche Steigerungen des Lebensstadards und Reformen erkämpfen konnten. Aber Mitte der 70er Jahre setzten sich die inneren Widersprüche des Kapitalismus wieder durch. Seitdem kommt es immer wieder zu schweren Weltwirtschaftskrisen, die Massenarbeitslosigkeit nahm zu, die Reformen hörten auf und wurden mehr und mehr rückgängig gemacht. Wenn heute von „Reformen” die Rede ist, kann man schon fast die Hand dafür ins Feuer legen, dass es um die Zerstörung von mühsam erkämpften Verbesserungen geht.

Konkurrenz zwischen Blöcken

Der Wirtschaftsaufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg war in den besiegten Ländern Japan und Deutschland so stark gewesen, dass sie Mitte der 70er Jahre die US-Vorherrschaft ins Wanken brachten. Die kapitalistische Konkurrenz und Handelskriege nahmen zu – jetzt aber zunehmend zwischen Wirtschaftsblöcken. Der US-Imperialismus hatte nach dem Krieg auf eine wirtschaftliche Vereinigung Westeuropas gedrängt, weil er einen größeren Absatzmarkt für seine überlegene Industrie wollte. Allmählich wurde daraus ein konkurrierender Wirtschaftsblock unter der Vorherrschaft des deutschen Imperialismus. Als Antwort begannen die USA in den 90er Jahren, ihre Vorherrschaft in Nordamerika durch die Gründung der Nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA ebenfalls zu institutionalisieren.
Diese Wirtschaftsblöcke sind Zweckbündnisse zwischen nationalen Kapitalistenklassen. Die EU bietet deutschen oder französischen Großkonzernen größere Absatzmärkte. Die deutsche Wirtschaftsmacht und die französische Militärmacht (Atomwaffen) ergänzen sich, um international gemeinsame Interessen zu verfolgen – aber die Voraussetzung ist das Vorhandensein solcher gemeinsamer Interessen. Diese gemeinsamen Interessen sind ziemlich groß, deshalb wird die EU bei den Krisen, die ins Haus stehen, wenn sich die Weltwirtschaftsflaute vertieft, nicht gleich auseinanderbrechen (sie würde wohl auch ein Scheitern des Euro oder der Osterweiterung erst mal überleben), aber die Dynamik der EU in den 90er Jahren wird wohl bald zähem Gefeilsche, Krisen und Konflikten Platz machen.

US-Dominanz heute

Trotz des Aufholens Westeuropas und Japans nach dem Zweiten Weltkrieg sind die USA immer noch die mit Abstand stärkste imperialistische Macht. In den 90er Jahren hat der Vorsprung der USA sogar wieder zugenommen – weil Japan in eine wirtschaftliche Dauerkrise geriet.
Die USA domineren weiterhin Institutionen wie IWF und Weltbank. Die anderen Währungen sind zwar nicht mehr formell an den US-Dollar gekoppelt, wie bis 1971, der Dollar ist aber immer noch Welt-Reservewährung. Das bringt dem US-Imperialismus enorme materielle Vorteile. Anleger in aller Welt horten Dollar (oder Aktien, Anleihen und so weiter, die in Dollar gerechnet werden), statt sie in ihre jeweilige Währung umzutauschen. Auf diese Weise konnten die USA Dollar wie eine Ware exportieren – eine Ware, die nicht aufwendig produziert werden muss, sondern die die Notenbank einfach drucken lassen kann. Deshalb konnten sich die USA über Jahre hinweg ein riesiges Handels- und Zahlungsbilanzdefizit leisten.
Dieses riesige Defizit führte die USA bisher nicht in den wirtschaftlichen Zusammenbruch, sondern bot für die Weltwirtschaft den Ausweg des „letzten Käufers“. Deutschland, Japan, China und so weiter haben hohe Exportüberschüsse gegenüber den USA, die ihre wirtschaftlichen Probleme etwas abmildern. Diese Überschüsse stellen ein politisches Druckmittel in den Händen der US-Regierung dar: wer zu sehr opponiert, riskiert, dass der Export ins Stottern gerät.
Der US-Dollar dient nicht nur als Kapitalanlage, in ihm wird auch ein großer Teil des Welthandels abgewickelt, insbesondere der Ölhandel. Das bedeutet, dass die USA vom Anstieg des Ölpreises (zum Beispiel durch einen Irak-Krieg) viel weniger betroffen sind, weil sie das Geld, mit dem die Ölrechnung bezahlt wird, kontrollieren, während andere Länder es durch Exportüberschüsse mühsam bekommen müssen.

Militärische Macht

Auf militärischem Gebiet ist die US-Vorherrschaft am größten. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist die USA die einzige Supermacht. Die US-Militärausgaben sind so groß wie die 15 nächstgrößeren zusammengenommen. Die US-Militärmacht ist jeder anderen (und jedem denkbaren gegnerischen Militärbündnis) eindeutig überlegen. Zugleich stellen die US-Rüstungsaufträge ein gewaltiges Lock- und Druckmittel dar. Nach dem Jugoslawienkrieg 1999 betrieben die europäischen Regierungen den Zusammenschluss ihrer wichtigsten Rüstungskonzerne zur EADS. Die Einbeziehung der British Areospace scheiterte aber, weil diesem Konzern als Juniorpartner der US-Rüstungsindustrie die größeren Profite winkten.
Die Bush-Regierung hat diese Lage genutzt, um für den US-Imperialismus offen Sonderrechte zu beanspruchen. Sie nehmen das Recht auf Präventivkrieg in Anspruch. Während bei missliebigen Staaten schon der Wunsch, sich Massenvernichtswaffen zuzulegen, als Grund für Strafmaßnahmen durch die USA gilt, behält sich der US-Imperialismus das Recht vor, Massenvernichtungswaffen nach Gutdünken einzusetzen.

„Altes Europa” als Alternative?

Die Vorherrschaft des US-Imperialismus schmeckt den kleineren imperialistischen Mächten nicht. Und auch den neokolonialen Staaten der „Dritten Welt” wäre es lieber, wenn es ähnlich starke imperialistische Blöcke gäbe, die man ein bißchen gegeneinander ausspielen kann und so wenigstens etwas Spielraum zum Manövrieren bekommt. Das konnten sie zum Beispiel im Vorfeld des Ersten Weltkriegs und auch in den Nachkriegsjahrzehnten gab der Gegensatz zwischen Imperialismus und den stalinistischen Staaten diesen kleineren Ländern gewisse Handlungsmöglichkeiten. In beiden Phasen konnten einige Staaten das für eine bescheidene wirtschaftliche Entwicklung nutzen. Die Krise des Stalinismus seit Mitte der Achtziger Jahre führte jedoch dazu, dass die Länder der „Dritten Welt” wieder ausgepresst wurden, wie Zitronen.
Deshalb ist es kein Wunder, dass die Konflikte der „Achse Frankreich-Deutschland-Russland” mit den USA in der Frage des Beginns eines Irak-Kriegs bei vielen Regierungen eine gewisse Begeisterung auslösten. Das kam bei den öffentlichen Sitzungen des Sicherheitsrats zum Ausdruck, bei denen sich die meisten UNO-Botschafter auf die Seite der US-Kritiker stellten.
Aber falls einzelne Politiker glauben sollten, dass der französische, deutsche oder russische Imperialismus prinzipiell besser (und nicht nur schwächer) als der amerikanische ist, dann sind sie Traumtänzer. Davon können jetzt schon die Regierungen der osteuropäischen Länder ein Lied singen, denen Frankreichs Präsident auf Französisch sagte, was der US-UN-Botschafter Negroponte seinem mexikanischen Kollegen auf Englisch sagte, als der sich auch eine Meinung zum Irak-Konflikt erlauben wollte. (Sinngemäß: Halt’s Maul, hier reden die wichtigen Länder.)
Dass Rumsfeld ausgerechnet in den osteuropäischen EU-Beitrittsländern ein „neues Europa” entdecken konnte, lag einfach daran, dass diese Regierungen, die sich jahrelang abgestrampelt haben, in die EU zu kommen, langsam erkennen mussten, dass die EU kein Wohltätigkeitsverein ist, sondern ein Imperialisten-Club, in dem der deutsche und französische Imperialismus das Sagen haben. So wie andere Länder auf Frankreich, Deutschland und Russland als Gegengewicht zu den USA hoffen, hoffen sie auf die USA als Gegengewicht zu Deutschland und Frankreich. Daher ist es auch kein Wunder, dass die Ukraine, die es noch nicht zum EU-Beitrittskandidaten gebracht hat, sich auf die deutsch-französisch-russische Seite geschlagen hat.
Dass einzelne Länder durch imperialistische Gegensätze Manövriermöglichkeiten bekommen, ist anzunehmen. Sie werden größere Möglichkeiten bekommen, um Wirtschafts- und vor allem Militärhilfe zu feilschen, wenn sie die konkurrierenden imperialistischen Staaten und Blöcke gegeneinander ausspielen können. Andere Länder werden dagegen zum Schauplatz von Stellvertreterkriegen werden, auf denen die USA und ihre imperialistischen Konkurrenten rivalisierende Bürgerkriegsarmeen unterstützen, so dass örtliche Konflikte sich länger hinziehen, mit mörderischeren Waffen geführt werden und die Bevölkerung noch mehr leidet.

Stellvertreterkriege

In der Elfenbeinküste stützen die USA eine Gangsterregierung und Frankreich die davongejagte vorherige Gangsterregierung. Das Land pendelt zwischen Bürgerkrieg und Friedensverhandlungen.
Selbst in den Ländern, die die imperialistische Konkurrenz nutzen können, werden diejenigen davon profitieren, die in diesen Ländern das Sagen haben: Kapitalisten werden Profite einstreichen, Bürokraten Bestechungsgelder kassieren, Militärs sich teure Waffen anschaffen – und die Masse der Bevölkerung wird im Elend bleiben, so lange sie es nicht schafft, ihre einheimischen Kapitalisten und Großgrundbesitzer zu stürzen und sich von der imperialistischen Herrschaft zu befreien.
Perspektiven
Aber wird die Kluft zwischen dem US-Imperialismus und seinen europäischen Konkurrenten überhaupt andauern? Deren Lage ist widersprüchlich. Die imperialistischen Interessengegensätze sind real vorhanden und die sich (mit den üblichen Aufs und Abs) verschärfende Krise des Kapitalismus führt dazu, dass die kapitalistischen Konzerne ihre Profite immer weniger steigern können: weder indem sie die Wirtschaft weiterentwickeln noch durch eine unbegrenzte Verschärfung der Ausbeutung.
Dann bleibt nur noch die Eroberung von Absatzmärkten, Rohstoffquellen, Arbeitskräften in anderen Ländern. Und wenn das mit wirtschaftlichen Mitten nicht geht, dann eben mit militärischen Mitteln. Und da die Welt unter den imperialistischen Ländern weitgehend aufgeteilt ist (was eines der Merkmale des Imperialismus ist), bedeutet das den Kampf der imperialistischen Länder um ihre Neuaufteilung. Die selben Gesetzmäßigkeiten, die zu zwei Weltkriegen im 20. Jahrhundert führten, sind weiter wirksam.
Ihnen steht die ungeheure Zerstörungskraft der modernen Waffen entgegen. Normale kapitalistische Regime führen Kriege nicht aus Böswilligkeit, sondern für Profite. Sie wollen die Kuh nicht schlachten, die sie melken wollen. Sie wollen die Arbeiterklasse ausbeuten und nicht im Atomkrieg zu Asche verwandeln. Deshalb ist mit offen eskalierenden Kriegen zwischen den führenden imperialistischen Ländern (im Unterschied zu Stellvertreterkriegen in der „Dritten Welt”) nicht zu rechnen, bevor in ihnen völlig durchgeknallte Diktatoren an die Macht kommen. Die Massenbewegung der französischen Arbeiterklasse und Jugend, als Le Pen bei den französischen Präsidentschaftswahlen in die Stichwahl kam, zeigt, wie die ArbeiterInnen gegen so etwas kämpfen würden. So etwas könnte nur nach einer Reihe von Klassenkämpfen mit schweren Niederlagen der ArbeiterInnen passieren. Aber die Krise der kapitalistischen Wirtschaft führt zu einer Verschärfung der Gegensätze und Konflikte und deren Folgen werden auch zunehmend kriegerisch ausgetragen.
Es gibt also eine reale Tendenz zur Zunahme der imperialistischen Gegensätze. Auf der anderen Seite gibt es starke Tendenzen, die einer Vertiefung der Kluft zwischen den USA und den anderen imperialistischen Ländern entgegenwirken: die USA sind eben die mit Abstand mächtigste imperialistische Macht und deutsche und französische Kapitalisten fürchten, dass sie als Juniorpartner oder Schoßhund von Bush immer noch besser fahren würden, als wenn sie es auf eigene Rechnung versuchen: die USA könnten ihre Militär- und Wirtschaftsmacht nutzen, um Konkurrenten Steine in den Weg zu legen, der Absatzmarkt USA selbst könnte verloren gehen …
Am 16. März zitierte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung einen vertraulichen Bericht des deutschen UNO-Botschafters Pleuger vom 21. Februar, der folgende Taktik vertrat: Die USA sollten im Sicherheitsrat isoliert werden, damit sie sich dann zur Lösung der Probleme beim Wiederaufbau „‘reumütig’ wieder dem Sicherheitsrat zuwenden” und den deutschen Imperialismus wieder mit ins Boot holen.
Auf Dauer wird sich die kapitalistische Konkurrenz durchsetzen und die Kluft zwischen den imperialistischen Ländern vertiefen, aber dieser Prozess wird nicht geradlinig verlaufen. Es ist durchaus möglich, dass es während oder nach einem Irak-Krieg noch einen Versuch der imperialistischen Mächte gibt, sich halbwegs zusammenzuraufen. Es kann auch sein, dass das gegenwärtige Maß an Entfremdung in der nächsten Phase bestehen bleibt. Das hätte schon tiefgreifende Auswirkungen. Es könnte dazu führen, dass die UNO ähnlich wie zu den Zeiten des Kalten Krieges zwischen Imperialismus und Sowjetunion gelähmt wird, indem sich beide Seiten in allen wichtigen Fragen im Sicherheitsrat durch Vetos blockieren. Es ist gut möglich, dass es die USA und Westeuropa nicht mehr schaffen, sich in der Welthandelsorganisation auf eine gemeinsame Linie zu einigen, den sie dann dem Rest der Welt als Konsens aufzwingen. Das würde bedeuten, dass die bevorstehende WTO-Konterenz in Cancun im September platzen würde wie die Konferenz in Seattle 1999. Das hieße aber nicht, dass die Politik von Deregulierung, Privatisierung etc., wie sie von der WTO verkörpert wird, zu Ende wäre. Sie würde sich vielmehr auf die einzelnen Wirtschaftsblöcke verlagern: die EU, die NAFTA beziehungsweise deren Erweiterung zur Freihandelszone der Amerikas (FTAA).

Arbeiterklasse

Entscheiden wird in Zukunft aber auch sein, dass die Imperialisten mit dem Wiederauftreten der Arbeiterklasse konfrontiert werden. Die Anti-Kriegs-Bewegung mit den zig Millionen, die weltweit gegen den Krieg auf die Straße gegangen sind, besteht überwiegend aus Lohnabhängigen. Auch wenn die typischen Kampfformen von ArbeiterInnen wie Streiks nicht im Vordergrund standen, haben sie doch ein beachtliches Ausmaß erreicht. Das alles passiert vor dem Hintergrund der zahlreichen Generalstreiks in Europa im letzten Jahr (Italien, Spanien, Griechenland) und einer allgemeinen Zunahme von Streiks.
Einerseits kann dies die unterschiedlichen Interessen der Herrschenden noch verschärfen, zum Beispiel, wenn die Herrschenden Deutschlands in der EU nicht für die Zugeständnisse der italienischen Herrschenden an „deren“ Arbeiterklasse bezahlen wollen. Andererseits kann sich die Arbeiterklasse den Kriegen und Konflikten in den Weg stellen. Eine Starke Bewegung von Beschäftigten lässt die Banken und Konzerne und ihre politischen Vertreter sicherlich aber auch näher zusammenrücken. Heute noch gilt, was Bertolt Brecht in seiner ”Ballade vom Wasserrad” schrieb:

„Und sie schlagen sich die Köpfe
Blutig, raufend um die Beute
Nennen andre gierige Tröpfe
Und sich selber gute Leute.
Unaufhörlich sehn wir sie einander grollen
Und bekämpfen. Einzig und alleinig
Wenn wir sie nicht mehr ernähren wollen
Sind sie sich auf einmal völlig einig”