von Martin Birkner und Harald Mahrer
„Stellen wir uns endlich, zur Abwechslung, einen Verein freier Menschen vor,…“ (Karl Marx; Das Kapital, MEW 23, S. 92) Bei Marx und Engels finden sich solche Sätze spärlich. Aussagen über die zukünftige sozialistische bzw. kommunistische Gesellschaft waren schon eher die Sache der sogenannten „utopischen Sozialisten“, wie Fourier, Morus oder St. Simon, die in ihren Arbeiten der phantasievollen Ausgestaltung der Zukunftsgesellschaft breiten Raum widmeten.
Genau dagegen wandten sich Marx/Engels. Sie wollten in einer umfassenden Art und Weise die Gesellschaft analysieren und gleichzeitig eine Handlungsanleitung für die ArbeiterInnenklasse liefern. Sie erkannten, dass in einer kapitalistischen Gesellschaft, die durch den Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital charakterisiert ist, sich der Mensch als „Gattungswesen“ nicht „jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach seinen Bedürfnissen“ entwickeln könne.
Erst durch den revolutionären Akt der Vergesellschaftung der Produktionsmittel tritt die Menschheit „vom Reich der Notwendigkeit ins Reich der Freiheit“ (Engels), und „an Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.“ (Kommunistischen Manifest). Das bedeutet, dass die Vergesellschaftung der Produktionsmittel zwar ein notwendiger Akt zur Befreiung des „Gattungswesens“ Mensch ist, keineswegs jedoch ein hinreichender. Marx und Engels konnten und wollten kein Szenario des Kommunismus entwerfen, da eine Gesellschaft, die nicht mehr auf der unabdingbaren Basis eines Klassenwiderspruchs aufgebaut ist, qualitativ unterschiedliche Widersprüchlichkeiten und Mechanismen aufweisen wird. Und die wiederum können durch unsere „Eingebundenheit“ in eine Klassengesellschaft höchstens vermutet, nicht aber wissenschaftlich erkannt werden.
Die Diktatur des Proletariats
Marx und Engels sprachen sinngemäß von der „Diktatur des Proletariats“ als ersten Schritt zur Befreiung des Menschen von der Unterdrückung durch den Menschen. In den letzten Jahrzehnten hat dieser Begriff einen negativen Beigeschmack bekommen. Die Schuld daran tragen die stalinistischen Diktaturen im ehemaligen Ostblock, die sich den klassischen „marxistischen“ Sprachgebrauch aneigneten und somit diskreditierten. Dazu kommt noch, dass in der heutigen Sprache der Begriff „Diktatur“ – durch die Erfahrungen des 20. Jahrhundert mit faschistischen und Militärdiktaturen – gänzlich negativ besetzt ist. Marx und Engels verstanden den Staat als Instrument der Unterdrükkung einer Klasse durch eine andere – als Klassenstaat. Der kapitalistische Staat ist somit unabhängig von seiner konkreten Form – egal ob Demokratie, Monarchie, Diktatur, Faschismus etc. – eine Diktatur einer Minderheit (der Bourgeoisie) über die Mehrheit (das Proletariat).
Die Formel von der „Diktatur des Proletariats“ besagt in diesem Sinn nichts anderes, als die Herrschaft der Mehrheit über die Minderheit, und das stellt auch das qualitativ Neue an einer solchen Gesellschaft dar. Die „Diktatur des Proletariats“ ist also jene Gesellschaftsform, mittels welcher das Proletariat seine Herrschaft nach einer siegreichen Revolution gegenüber der unterlegenen Bourgeoisie absichert. Es wäre ja auch naiv zu glauben, dass sich die Bourgeoisie mehr oder weniger kampflos geschlagen gäbe. Somit beschwört jede Revolution mehr oder weniger auch die Konterrevolutionäre – also den „Überlebenskampf“ der Bourgeoisie, herauf. Gegen diese Konterrevolution muss sich das siegreiche Proletariat verteidigen und das gelingt eben mit dem Aufbau einer Gesellschafts- und Staatsstruktur, die diesen Zwecken entspricht.
Sozialistische Demokratie
Der Begriff „Diktatur des Proletariats“ wird heute nicht mehr verwendet. Der schale Beigeschmack ist trotz des Zusammenbruchs des Stalinismus geblieben. Daher wird heute von MarxistInnen von „sozialistischer Demokratie“ gesprochen. Ein Widerspruch? Keineswegs: Sozialistische Demokratie hat nichts gemein mit „Diktaturen“, wie sie der Kapitalismus hervorgebracht hat; in Chile, im Faschismus etc.. Sozialistische Demokratie ist die organisierte Einbeziehung aller in alle Angelegenheiten der Gesellschaft. An die Stelle von „großen Männern“, die die Geschicke der Welt leiten und die Geschichte schreiben, tritt eine Heerschar von „kleinen Leuten“ (Männer, Frauen, Alte, Junge, …), die in frei gewählten Komitees, gemeinsam den Lauf der Dinge erörtern und Lösungen, die sich an den Bedürfnissen der Menschen und nicht der Profite orientieren, finden und umsetzen.
Die Gewählten sind der Wähler-Innenschaft jederzeit rechenschaftspflichtig, jederzeit absetzbar und sie genießen keinerlei materielle Privilegien. Ihr Einkommen entspricht dem Durchschnittseinkommen. Diese Komitees wird es auf allen Ebenen geben, in den Fabriken, in den Grätzln, auf Bezirks-, Stadt- und Landesebene, ja sogar auf Weltebene. Erstmals in der Geschichte der Menschheit hat die Mehrheit die Geschicke der Menschheit tatsächlich in den eigenen Händen und das gesamte menschliche Potential, seine Kreativität, seine Erfahrungen und seine Talente werden in den Entscheidungsprozess miteinbezogen. Das ist Demokratie und die Macht geht erstmals wirklich vom „Volke“ aus.
Der Staat stirbt ab
Ist der Ausgangspunkt der „Sozialistischen Demokratie“ noch die Sicherung der Revolution vor der Konterrevolution, beginnt sie als Staat mit ihrem Erscheinen auch abzusterben. In dem Maße, wie sich die neuen Verhältnisse durchsetzen, verschwinden auch die Klassen der alten Gesellschaft. Eine Bourgeoisie, die nichts mehr besitzt und somit auch ihre alte Macht verliert, wird nur mehr physisch in den Menschen, die ihr einmal angehörten, weiter existieren. Diese Menschen sind es auch, die die alten Verhältnisse wiederherstellen wollen. Je besser und je länger sich die neue Gesellschaft entwickelt, umso weniger werden diese Anstrengungen werden, weil sie keine reale Basis in der Gesellschaft mehr vorfinden. In dem Maße, wie die Bourgeoisie verschwindet, hört auch das Proletariat als ihr historischer Konterpart auf, eine Klasse zu sein. Die Klassen verschwinden also, übrig bleibt letztlich der freie Mensch. Der Staat ist aber immer Mittel der Klassenherrschaft. Der proletarische Staat ist also Mittel der Herrschaft des Proletariats. Wenn also das Proletariat und mit ihm alle Klassen verschwinden, verschwindet auch der Staat und damit jede Herrschaft des Menschen über den Menschen. Es bleiben nur Aufgaben der Verwaltung und Administration. Wie dieser Weg genau vor sich gehen wird, läßt sich nicht vorhersagen, seinen Ausgangspunkt kann man/frau dafür umso genauer definieren. Grundbedingung für den Weg zur klassenlosen Gesellschaft, der freien Assoziation freier Menschen, ist die Eroberung der Macht durch die ArbeiterInnenklasse – das Proletariat eben. Diese Machteroberung manifestiert sich in der Vergesellschaftung der Produktionsmittel – das heißt, dass der Gesellschaft alles gehört. Dieser Punkt ist schließlich die Grundlage dafür, dass alle alles mitbestimmen können. Aber das ist noch nicht die Lösung aller Probleme, es ist erst die Grundlage zu einer Lösung.
Das Primat der Politik über die Ökonomie wäre erstmals verwirklicht. Demokratisch aufgebaute Strukturen und moderne Kommunikationstechnologien ermöglichen es Allen, unabhängig von Geschlecht, Alter, Hautfarbe am Mitbestimmungsprozeß teilzunehmen. Sowohl in der Ökonomie, als auch in allen anderen politischen Feldern gilt: Demokratisches Mitarbeiten statt Repräsentationsdemokratie. Staatswesen und Militär werden ersetzt durch freie Zusammenschlüsse freier Menschen, Nationen und Staaten verschwinden, die Regierung über Menschen verschwindet, was bleibt ist – um es mit Marx zu sagen – die „Administration von Dingen“.
Das Potential einer neuen Gesellschaft
Mehr als hundert Jahre nach dem Tod von Marx und Engels und mehr als zehn Jahre nach dem Niedergang der meisten stalinistischen Diktaturen soll der Versuch einer sozialistischen Perspektive im Hinblick auf den heutigen Stand von Technologie und Wissenschaft versucht werden. Keine Zukunftsvisionen, lediglich das Aufzeigen der Möglichkeiten, welche selbst die gesellschaftlichen Entwicklungen einer kapitalistischen Gesellschaft uns in einer nicht durch das Kapital diktierten Welt bieten könnte.
Technik ist nicht wertfrei!
Spätestens seit Mitte des 20. Jahrhunderts kann vom technischen Fortschritt nicht mehr gesprochen werden, ohne gleichzeitig die Schattenseiten zu nennen. Industrieller Massenmord der Nazis, Atombombe auf Hiroschima sind nur die krassesten Beispiele der „dunklen Seite“ der kapitalistischen Entwicklung. Technische Errungenschaften können nicht mehr, wie dies viele MarxistInnen in den 20er und 30er Jahren glaubten, einfach in ein sozialistisches System „übernommen“ werden. Die (Profit-)Logik des Kapitalismus hat sich längst in die produzierten Waren eingeschrieben, von der Waffenindustrie bis zu Konsumgütern mit „eingebauten Ablaufdatum“. Lobbies kaufen Patente auf und verhindern so die Realisierung umweltverträglicher Produktionen etc. Andererseits würde schon allein die vernünftige Anwendung bereits existierender Technologien ausreichen, um zumindest die Grundbedürfnisse aller Menschen zu befriedigen. So könnten selbst nach dem heutigen Stand der Agrarwirtschaft zwölf(!) Milliarden Menschen ernährt werden (bei sechs Milliarden Weltpopulation), während allein im Jahr 1998 900(!) Millionen Menschen an Unterernährung gestorben oder schwer erkrankt sind. Würden anstatt „shareholder value“ (= Hohe Dividenden für Aktionäre) die Bedürfnisse der überwiegenden Mehrheit der Menschen zum Ausgangspunkt globaler Überlegungen, so wäre es nach heutigem Forschungsstand möglich, die Energieversorgung komplett auf erneuerbare Energieträger wie Wind, Sonne oder Erdwärme umzustellen. „Umweltschutz“ wäre nicht bloßes Anhängsel von wirtschaftspolitischen Überlegungen, sondern integrales Moment aller gesellschaftlicher Eingriffe in die natürliche Umwelt.
Bildung und Forschung
Von besonderer Bedeutung wird auch die Umgestaltung des Bildungswesens sein. Nach Überwindung der Leistungsgesellschaft kann auch im Ausbildungs- und Erziehungsprozeß das gemeinsame und solidarische Lösen von Problemen zum zentralen Aspekt von Bildung werden. Nicht „besser sein als die Anderen“, sondern gemeinsam mit anderen Menschen Ziele zu verwirklichen. Kreatives Lernen abseits von „Benotung“ und Frontalunterricht wären die zentralen Aspekte einer sozialistischen Bildungspolitik. In einer sozialistischen Demokratie stehen für jeden Menschen die gleichen – und besten – Ausbildungsmöglichkeiten offen. Wie in allen gesellschaftlichen Teilbereichen wird auch das Bildungswesen demokratisch, mittels direkter Teilnahme der betroffenen Menschen, organisiert.
In der Forschung würden nicht zahllose Energien in die Erfindung von Tötungstechnologien fließen, sondern eben in Lösungen für wirkliche Menschheitsprobleme. Auch würden WissenschafterInnen in den Zwang von Privatinteressen geraten. Es ist eben absurd, dass etwa in der medizinischen Forschung, der Profit im Vordergrund steht und dadurch WissenschafterInnen nebeneinander her arbeiten, um als erste eine Lösung für das eine oder andere Problem zu finden. Stattdessen sollten sich die „Forschungsteams“ austauschen und am selben Strang ziehen. Es spielt dann auch keine Rolle mehr, ob sich jemand diese Forschungsergebnisse (z.B. Medikamente) leisten kann oder nicht. Aidskranke würden unabhängig davon, ob sie im reichen Norden oder im armen Süden leben, Zugang zu den neuesten und besten Therapien haben, weil eben die Bedürfnisse der Menschen und nicht der Profit einzelner im Mittelpunkt der Gesellschaft steht.
Kommunikationstechnologien wie das Internet können helfen, Demokratisierung und verbesserte Kommunikation zwischen Menschen – auch entlegener Weltgegenden – herzustellen; Informationsbeschaffung, unabhängig von der geographischen Position. Weltweite Netze nicht mehr zum Zweck der Verschiebung von Spekulationsgewinnen in Milliardenhöhe oder geheimer militärischer Informationen, sondern, um kulturellen und wissenschaftlichen Austausch zu fördern und das ganz ohne „Cyber-„, Computer- und Softwaregiganten wie AOL, IBM oder Microsoft und „Netzpolizei“.
Befreite Arbeit
Die „Freizeit“ würde in einer sozialistisch organisierten Gesellschaft so nicht mehr existieren. Zur Produktion der – durch gemeinschaftlichen und demokratischen Plan ermittelten – notwendigen Güter, würde auf die Menschen, welche sich an der Produktion beteiligen wollen, aufgeteilt. Rationalisierungsmaßnahmen würden die notwendige Arbeitszeit verkürzen, nicht jedoch wie im Kapitalismus Existenzgrundlagen vernichten. Durch die Auflösung der „Entfremdung der Arbeit“ verschmelzen „Freizeit“ und „Arbeitszeit“ zu vielschichtigen und kreativen Tätigkeiten. Kommunikation zwischen Menschen erreicht wieder den Stellenwert, den ihr als essenzielle Komponente des sozialen Daseins eigentlich zusteht. „Berufe“ sind keine lebenslangen und geschlechtsspezifischen Zuschreibungen mehr. Gesellschaftlich notwendige, aber „unangenehme“ Arbeiten werden auf alle erwerbsfähigen Menschen gerecht aufgeteilt werden – natürlich auch die Hausarbeit, (sofern nicht vergesellschaftet). Auch hier gilt: Keine Befreiung der ArbeiterInnen ohne Frauenbefreiung.
Dazu paßt die oft eingebrachte Floskel, dass niemand arbeiten würde, würde er nicht dazu gezwungen. Dieser ebenso alte wie falsche Einwand der selbstherrlichen VertreterInnen der Bourgeoisie wird uns gerne entgegen geworfen. Wie erklären sich diese weisen (meist) Herren dann, dass es ehrenamtliche Tätigkeiten gibt, die von Abertausenden freiwillig geleistet werden. Arbeit ist eben mehr als nur die fremdbestimmte Verrichtung von Tätigkeiten zum Zwecke der Erreichung eines Einkommens. Arbeit ist die Gestaltung des Lebensumfelds, die Produktion notwendiger Güter, allgemein gesprochen ein Beitrag des/der Einzelnen zur Gesellschaft. Befreite selbstbestimmte Arbeit orientiert sich daran, welche Fähigkeiten und Bedürfnisse der/die Einzelne hat, wie er/sie sich am gesellschaftlichen Prozeß sinnvoll beteiligen kann und will. Was sinnvoll ist, bestimmt jedeR Einzelne selbst mit. Der Mensch definiert sich selbst über seinen Beitrag zur Gesellschaft, der Mensch ist eben nichts ohne die Gesellschaft. JedeR trachtet danach, etwas „aus seinem Leben zu machen“. Das ist nicht nur durch „Geldverdienen“ definiert, sondern auch, ob man/frau das Gefühl hat, etwas sinnvolles beizutragen. Im Kapitalismus ist das natürlich ungemein schwieriger, da wer, was, wie produziert, nicht die Menschen bestimmen, die es dann produzieren. In einer sozialistischen Gesellschaft bestimmen aber die ProduzentInnen auch über die Produktion.
Und was ist mit Arbeiten, die keiner machen will? Die Antwort ist einfach: Wir werden sie abschaffen. Sinnlose, erniedrigende „Dienstleistungen“, kraftraubende, gesundheitschädliche, monotone Fließbandarbeit aller Art, wird, so sie nicht notwendig ist, abgeschafft. In einer Gesellschaft von Gleichen braucht es keine „Dienstmädchen“, „Hundstrümmerlaufklauber“ oder Kinderarbeit in der 3. Welt. Dazu kommt noch, dass viele körperlich schwere Arbeiten auch heute schon weitgehend von Maschinen übernommen werden könnten. Das geschieht aber nicht, weil es im manchen Bereichen immer noch (oder schon wieder) billiger ist, menschliche statt maschinelle Arbeitskraft einzusetzen. Da bleibt doch etwas übrig? Ja, Kanalräumen, Reinigungsarbeiten, etc. Und wer soll das machen? Alle! Wie soll das ohne Zwang organisiert werden? Wenn die Gesellschaft befindet, das eine Arbeit notwendig ist, wird sie auch bereit sein, sie zu verrichten. Das Schlimmste an diesen Tätigkeiten ist ja nicht, sie verrichten zu müssen, sondern, sie dauernd und ausschließlich zum Wohl anderer, die sich von diesen Tätigkeiten befreien können, verrichten zu müssen.
Reproduktionsarbeit und die Befreiung der Frau
Einen zentralen Punkt in der Befreiung der Menschheit, stellt sicherlich eine völlige Reorganisation der Reproduktionsarbeit (wie Hausarbeit, Kindererziehung etc.) dar. Der Kapitalismus bedient sich hier gewachsener Strukturen, die mit den Klassengesellschaften vor ihm entstanden sind und entwickelt wurden. Diese Struktur bedeutet die Ausbeutung der Frau, diese sich in der Familie als soziales Konstrukt des Kapitalismus manifestiert.
Mit der Vergesellschaftung der Produktionsmittel alleine ist die Befreiung der Frau von der Reproduktionsarbeit noch nicht erreicht. Für „den Mann“ wird es auch nach einer „sozialistischen“ Revolution „angenehmer“ sein, das Essen serviert zu bekommen und sich nicht um Hausarbeit kümmern zu müssen. Die klassische sozialistische Argumentation ist die von der Vergesellschaftung der Reproduktionsarbeit. Das heißt, die Erziehung der Kinder, das Kochen, das Wäschewaschen, etc. wird gemeinschaftlich organisiert: in Kindergärten, in Schulen, in Volksküchen, in Wäschereien etc.. Diese Arbeiten werden aus der Familie herausgenommen, wie überhaupt bis zu einem gewissen Grad die Familie als Versorgungsinstitution überflüssig wird. Menschen würden dann endlich aus freien Stücken in selbst gewählten Lebensformen zusammenleben und nicht um ihre Versorgung sicherzustellen.
Der Fortschritt einer neuen Gesellschaft wird sich letztlich auch daran messen müssen, wie weit sie in der Frage der Emanzipation der Frau geht. Ob sie es eben schafft, die notwendige Reproduktionsarbeit, tatsächlich auf die gesamte Gesellschaft, also auch auf die Männer zu verteilen. Ansätze dazu sind sicherlich Rotationsprinzipe, „soziale Monate“, die regelmäßig wiederkehren und so weiter und so fort. Um die alte Gesellschaft aus den Köpfen zu bringen, werden hier sicher viele neue Methoden und Wege nötig sein. Und diese Wege beginnen nicht erst mit der Revolution und bis dahin, bleibt alles wie es ist. Ganz im Gegenteil, diesen Fragen muss bereits heute und jetzt in der sozialistischen Bewegung ein zentraler Stellenwert eingeräumt werden. Dazu gehören die Selbstorganisierung von Frauen ebenso, wie der Kampf gegen patriachale Weltbilder in Männerköpfen – auch innerhalb der ArbeiterInnenbewegung. Denn eines ist klar, je stärker das Bewußtsein in dieser Frage bereits entwickelt ist, desto besser wird sich eine neue Gesellschaft in diesen Fragen entwickeln können.
Sozialismus fällt nicht vom Himmel
Natürlich ist nicht sicher vorhersehbar, wohin und wie sich eine klassenlose Gesellschaft entwickelt. Gesellschaftliche Veränderungen sind komplexe Prozesse, und auch mit Beseitigung der kapitalistischen (Un-) Ordnung sind natürlich längst nicht alle Probleme gelöst. Die Perspektive einer klassenlosen Gesellschaft, die nicht den einheitlichen Menschen schafft, sondern lediglich einheitliche Ausgangsbedingungen zur vielfältigen Entwicklung aller Menschen, erfordert gerade jetzt, in Zeiten einer ideologischen Offensive des Kapitals, organisierten Widerstand. Wir müssen schon jetzt die Widersprüchlichkeiten des kapitalistischen Systems aufzeigen und angreifen. Die Vertröstung auf später bringt uns einer sozialistischen Gesellschaft keinen Schritt näher. Schon jetzt müssen wir Probleme, wie die Diskriminierung der Frau, Rassismus, Umweltverschmutzung, soziales Elend, Hunger, um nur einige wenige zu nennen, aufgreifen und versuchen, zu lösen. Dass diese Lösungen im Kapitalismus selbst keine dauerhaften sind, darf uns nicht vom Kämpfen abhalten.
Die Geschichte ist nicht zu Ende!
Der Kampf um den Sozialismus ist ein integraler Kampf, ein Kampf um Gleichberechtigung der Frau, um saubere Umwelt, ein Kampf gegen den Hunger und gegen den Krieg. Letztlich aber ein Kampf um die Macht – Macht für die Mehrheit, ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen zu können. Wann muß der Kampf geführt werden, wenn nicht jetzt? Die Geschichte ist nicht zu Ende, wie uns das manche postmodernen Philosophen weis machen wollen, im Gegenteil: Die Geschichte hat noch gar nicht begonnen. Denn, frei nach Friedrich Engels, erst in einer klassenlosen Gesellschaft beginnt die Geschichte der Menschheit und ist ihre Vorgeschichte zu Ende!
Wir müssen jetzt unsere Energien darauf verwenden, eine Welt vorzubereiten, die eine Welt der freien Menschen sein wird. Viele Schritte sind noch zu tun. Es gilt von neuem, eine einheitliche revolutionäre Bewegung zur Überwindung des kapitalistischen Systems aufzubauen. Die SOV sieht sich selbst als Teil dieses Projekts. Es liegt in unserer Hand, die Wahl, vor die uns Rosa Luxemburg schon vor mehr als 80 Jahren stellte, richtig zu entscheiden: „Sozialismus oder Barbarei!“