500.000 in Berlin – 50.000 in Stuttgart
Eine halbe Million Menschen setzten am Samstag ein klares Signal gegen den drohenden Irakkrieg. Die gr??te Antikriegsdemonstration seit Jahrzehnten legte die Berliner Innenstadt zwischen Alexanderplatz, Brandenburger Tor und Siegess?ule lahm. ?ber 600 Busse aus dem gesamten Bundesgebiet brachten DemonstrantInnen nach Berlin. Alleine aus Hamburg waren 150 Busse angereist, aus Kassel fast 30. Zus?tzlich demonstrierten in Stuttgart weitere 50.000 gegen den Krieg.
von Sascha Stanicic, Berlin, 16.2.2003
Von dem Ansturm der Massen v?llig ?berw?ltigt war der Auftakt der Demonstration eine Mischung aus buntem Treiben und Chaos. Einige Busse kamen nicht zum Alexanderplatz durch und brachten ihre MitfahrerInnen direkt zum Ort der Abschlusskundgebung an der Siegess?ule. Schon um 12.15 Uhr entwickelte sich eine Eigendynamik der Massen, die nicht die Auftaktkundgebung abwarten wollten und die Demonstration in Gang setzen. Von einer organisierten Bildung politischer Demonstrationsbl?cke konnte keine Rede mehr sein. Irgendwie reihten sich alle ein, versuchten einander zu finden und scheiterten nicht selten.
Die Demonstration war bunt und von gro?er Ernsthaftigkeit gepr?gt. F?r nicht wenige war es die erste Demonstration in ihrem Leben. Viele hatten selbstgemalte Schilder und Transparente mitgebracht. Die Slogans darauf dr?ckten die Breite der Demonstration aus. Es gab Parolen, die den Krieg als einen imperialistischen Feldzug f?r ?l gei?elten, andere forderten die Schlie?ung des deutschen Luftraums f?r die US-Armee und den Abzug aller deutschen Truppen aus dem Ausland. Viele dr?ckten ihre moralische Emp?rung ?ber die Kriegspolitik mit Spr?chen wie „Make love not war“ oder „Krieg ist keine L?sung“ aus. Viele originelle Spr?che dr?cken den Aufschwung von Kreativit?t in Massenbewegungen aus: „Bombing for peace is like fucking for virginity“, „UN-Inspektoren in die USA“ oder „lieber Bums im Bett als Rums im Feld.“ Die SchauspielerInnen der Lindenstra?e waren mit Schilder „Lindenstra?e gegen Angriffskrieg“ erschienen. KurdInnen forderten „Frieden f?r Kurdistan“ und „Freiheit f?r ?calan“. Viele GewerkschafterInnen waren dem Aufruf ihrer Organisationen gefolgt.
Die Regierungsparteien hatten auch mobilisiert, um die Antikriegsstimmung in der Bev?lkerung f?r sich auszunutzen. Die Gr?nen versuchten mit tausenden gr?nen Luftballons und dem massenhaften Verteilen von Aufklebern die Szenerie optisch zu dominieren. Die SPD besa? die Dreistigkeit Aufkleber mit dem Spruch „Mut zum Frieden“ zu verteilen. Die Haltung der Regierungsparteien blieb nicht widerspruchslos. Von Lautsprecherwagen wurde auf die Beteiligung Deutschlands an den Kriegen gegen Serbien und Afghanistan hingewiesen und vor einem Vertrauen in Schr?der und Fischer gewarnt. W?hrend viele TeilnehmerInnen eine Offenheit den Regierungsparteien gegen?ber signalisierten, unterst?tzten sie gleichzeitig die konkreten Forderungen, die sich gegen die heuchlerische Politik von SPD und Gr?nen wendeten: Schlie?ung des Luftraums und der US-Milit?rbasen, kein Einsatz deutscher Soldaten in den AWACS, Abzug deutscher Truppen aus Kuwait.
Die Mehrheit der RednerInnen bei der Abschlusskundgebung, inklusive Verdi-Chef Bsirske, legten eine unkritische Haltung gegen?ber rot-gr?n an den Tag und repr?sentierten damit sicherlich nicht die Mehrheit der DemonstrantInnen. Aber auch von der B?hne wurde Widerspruch laut. Rolf Becker, Schauspieler und Gewerkschafter, kritisierte die Politik der Bundesregierung und auch die Gewerkschaftsf?hrung f?r ihre Unterst?tzung des Krieges gegen Afghanistan. Er zog auch die Verbindung vom Krieg mit der sozialen Frage und schloss seine Rede mit dem Aufruf f?r Arbeitspl?tze, gegen Sozialabbau und gegen Krieg zu k?mpfen.
Die Demonstrationen in der ganzen Welt waren ein Aufflackern der Macht der einfachen Bev?lkerung, wenn sie sich massenhaft bewegt. Die Millionen, die durch die Hauptst?dte der Welt gezogen sind haben einen Eindruck davon vermittelt, welche unaufhaltsame Macht und Kraft die Arbeiterklasse entwickeln kann, wenn sie organisiert und um ein klares Programm herum mobilisiert w?rde.
Die SAV war in den letzten Wochen und Monaten an den Mobilisierungen f?r die Demonstration beteiligt und hat bei der Demo vor allem mit der Forderung an die Gewerkschaften Streiks gegen den Krieg zu organisieren eingegriffen. SAV-Mitglieder haben in den letzten Wochen an der Bildung von Jugendkomitees gegen den Krieg in vielen St?dten teilgenommen und geholfen, die bundesweite Kampagne „Jugend gegen Krieg“ zu starten. Diese organisierte einen Jugendblock bei der Demo und rief zu einem bundesweiten Jugendaktionstag am 25.2. und zu Jugendstreiks am Tag X auf. Aufgrund des Massenandrangs bei der Demo konnten sich verschiedene Jugendgruppen nicht finden und so wurden zwei Jugendbl?cke gebildet, einer mit 500 bis 1000 und ein zweiter mit rund 150 TeilnehmerInnen. Diese geh?rten zu den lebendigsten und lautesten Bl?cken, die unter anderem mehrere „Die-Ins“ durchf?hrten, bei denen sich die Jugendlichen auf das eiskalte Stra?enpflaster legten, um den drohenden Tod irakischer ZivilistInnen im Falle eines US-Angriffs zu symbolisieren.
Jugend gegen Krieg verteilte 20.000 Flugbl?tter, die zu dem Aktionstag am 25.2. aufriefen.
SAV-Mitglieder organisierten an verschiedenen Stellen des Auftakt- und Abschlussortes Info-St?nde und verkauften ?ber 500 Exemplare des extra produzierten Antikriegsprogramms. 5.000 Flugbl?tter f?r die Sozialismus-Tage wurde verteilt.
In Stuttgart sprach das SAV-Mitglied Tinette Schnatterer auf der Abschlusskundgebung als Vertreterin von Jugend gegen Krieg und Verdi-Studierende.
Auch aus M?nchen gibt es f?r die SAV positive Neuigkeiten. Nach der Teilnahme von SAV-Mitgliedern bei der Demonstration gegen die Nato-Tagung wurde nun das erste Mtglied in M?nchen gewonnen. Weitere Interessierte wollen bei der Verbreitung sozialistischer Ideen in der Stadt helfen.