Vor genau 40 Jahren wurde die OAU (Organisation der Afrikanischen Einheit) gegründet, mit dem Ziel, die Entwicklung des Kontinents voranzutreiben. Den Gründungsvätern war es klar oder sie ahnten, daß der Kapitalismus überwunden werden muss, um ihre Ziele zu erreichen. Die Bilanz heute ist niederschmetternd: Afrika ist zerrissen, ausgeplündert und wirtschaftlich bankrott.
20 Jahre kapitalistische Globalisierung haben den Kontinent in starke Abhängigkeit von IWF, Weltbank und WTO, kurz gesagt unter stärkere Kontrolle des internationalen Kapitals gebracht als zu kolonialen Zeiten. Wie das Diktat der Weltbank Hunger, Elend und ethnische Konflikte bis hin zum Zerfall einiger Staaten bewirkt hat, soll hier anhand einiger Beispiele nachgewiesen werden. Längst formiert sich aber der Widerstand gegen die Globalisierung und gegen IWF, Weltbank und ihre Statthalter.
Auflösung von Getreidereserven
Der IWF sprach eine Vielfalt von Empfehlungen und Zwangsmaßnahmen aus, die eine gezielte Zerstörung der Lebensmittelversorgung erkennbar machen, um Platz für subventionierte Lebensmittel aus den USA und der EU zu schaffen. Schulden und Kreditvorgaben dienen als Knüppel, um die Länder unter ihre Kontrolle zu bringen. Malawi und Äthiopien zeigen, was die Abschaffung von Notreserven bewirken kann.
Malawi, das kleine Land im südlichen Afrika mit elf Millionen EinwohnerInnen galt bis in die 90er Jahre als das Musterland für erfolgreiche Selbstversorgung und exportierte sogar Agrarprodukte. Das Land ist fruchtbar und hat keine Wüste. Ab und zu gibt es Dürre, die durch umfangreiche Getreidenotreserven früher aufgefangen wurde, bis der IWF das Land zwang, die Reservesilos abzubauen. Die Dürre 2002 bedroht heute über zwei Million Menschen.
In Äthiopien wurde nach der großen Hungerkatastrophe von 1984 / 85 (die fast einer Million Menschen das Leben kostete) von dem damaligen Mengistu-Regime ein umfangreiches Notreservesystem aufgebaut. Die Weltbank allerdings zwang Äthiopien, die Reserven abzuschaffen, um die Schulden zu zahlen. 1996 exportierte Äthiopien über eine Million Tonnen Getreide und bei der letzten Dürre 1999 und 2000 musste Äthiopien nun fast die gleiche Menge Getreide teuer importieren. Die USA nutzte die Hungerbedrohung, um das Horn von Afrika mit genverändertem Mais über „Nahrungshilfe” zu verseuchen.
Im Namen von „freiem Handel” verbieten IWF und Weltbank jegliche Subventionierung der BäuerInnen in afrikanischen Staaten und fordern aber gleichzeitig die Öffnung der heimischen Märkte für staatlich hoch subventionierte Lebensmittel aus den USA und der EU. Vielfach werden die Essgewohnheiten verändert, da die künstlich extrem verbilligten Produkte die heimischen Produkte verdrängen.
Reis aus den USA zerstörte zum Beispiel die Reisproduktion in Ghana. Heute muss Ghana für 100 Millionen US-Dollar Reis importieren. EU-Rindfleisch wird in Westafrika zum halben Preis angeboten; dem entsprechend sind EU-Rindfleischexporte nach Westafrika seit 1984 um das siebenfache gestiegen. Einheimische Viehhaltung lohnt sich nicht mehr. Klar ist, dass heute Hungerkatastrophen nicht mehr durch Nahrungsmittelknappheit verursacht werden, sondern durch das weltweite Überangebot.
Die Rolle des Imperialismus – Beispiel Somalia
1993, vor zehn Jahren, griffen die USA unter dem Deckmantel der UNO in Somalia ein, angeblich, um den hungernden Menschen zu helfen. Die wahren Gründe waren die vermuteten Ölreserven, die strategisch günstige Lage am Indischen Ozean und der Versuch, den islamischen Fundamentalismus zurück zu drängen und den staatlichen Zerfall zu verhindern. Über die Ursache von Hunger hörte man nichts. Besonders nach Niederlage und Rückzug der USA verschwand Somalia aus den Medien. Sicher ist aber, dass der Staat in kleine Herrschaftsgebiete verschiedener Warlords (Kriegsfürsten) zerfallen ist. Allerdings herrscht relative Ruhe und vor allem: der Hunger ist wieder verschwunden – aus den Medien!
Somalia konnte sich bis Mitte der achtziger Jahre selbst versorgen. Viehverkäufe in die arabischen Staaten (hauptsächlich nach Saudi-Arabien) machten noch bis 1983 etwa 80 Prozent der Exporterlöse aus. Erst die Intervention von IWF und Weltbank, um die Schulden einzutreiben, trieb das Land in den Ruin.
Der IWF erzwang eine mehrmalige Währungsabwertung und Privatisierungen in den Bereichen der tiermedizinischen Versorgung und Wasserversorgung. Allein die Abwertung führte zu einer extremen Verteuerung der nötigen Importprodukte, zum Beispiel Medizin für Menschen und Tiere oder Schulbücher und Unterrichtsmaterial.
Die Viehhaltung brach zusammen. Die Deviseneinnahmen gingen massiv zurück und der Staatshaushalt hatte kaum noch Einnahmen. Die Ausgaben pro Schüler, die bei 82 Dollar im Jahr 1982 lagen, betrugen 1989 nur noch vier Dollar im Jahr. Die Gehälter der LehrerInnen und anderer öffentlicher Beschäftigter reichten kaum noch zum Leben und wurden nur selten überhaupt ausbezahlt.
Der Staat spielte – mangels Finanzen – allmählich keine Rolle mehr. Die Infrastruktur, insbesondere das Schulwesen, Transport und Transportwege, jegliche soziale Fürsorge, medizinische Versorgung und die Wasserversorgung wurden zerstört. Jegliche Verbindungen, gemeinsame Ziele und Aktivitäten hörten auf zu existieren. Am Ende zerfielen auch Polizei und Armee entlang der einzelnen Clans und der Staat hörte auf zu existieren. Ein ähnlicher Zerfallsprozess hatte sich auch in Zaire (heute: Demokratische Republik Kongo) zur Zeit Mobutus entwickelt.
Tödliche Maßnahmen
IWF und Weltbank als Geldeintreiber für Großbanken, Großkonzerne und für imperialistische Staaten sind genau genommen zum Instrument für Massenmord geworden. Ihre Gifte klingen harmlos, aber sind durchaus wirkungsvoll. Die Pillen nennen sich meist:
– Währungsabwertung:
Das soll angeblich den Export ankurbeln. Dabei werden aber die heimischen Produkte zum Ausverkauf (eine Art erzwungener Schlussverkauf) an das Ausland angeboten.
– Produktion für den Export:
Produkte für eigenen Konsum machen Platz für Exportprodukte um Devisen für die Schulden-Tilgung zu erwirtschaften.
– Importbeschränkungen:
Nicht etwa Import von Luxuslimousinen, Panzern oder Kampfflugzeugen, sondern von einfachen Medikamenten oder Schulbüchern fallen dieser Politik zum Opfer.
– Senkung der Rohstoffpreise durch erzwungene Überproduktion:
Bei wichtigen Exportprodukten drängen IWF und Weltbank viele Länder dazu, das selbe Produkt anzubieten und den Markt damit zu überschwemmen. So produziert nicht nur Ghana heute Kakao, sondern auch die Elfenbeinküste und Kamerun sind zu Großproduzenten erzogen worden.
– Die sogenannten Anpassungsmaßnahmen:
Öffnung des einheimischen Marktes, Privatisierungen und Verschlankung des Staatsapparates und Streichung der wenigen noch vorhandenen Subventionen wie kostenlose Schulleistungen und so weiter sind die Folgen.
Deutlicher als anderswo zeigt das Beispiel Afrika, dass das Kapital, wenn nötig, über Leichen geht. Die Blutspur von IWF und Weltbank hinterlässt Millionen von Toten in Afrika.
Rassismus im Spiel?
Die kapitalistische Globalisierung der letzten 20 Jahre wurde zu einer Globalisierung der Armut weltweit. Für Banken und multinationale Konzerne, für die Reichen und Superreichen war die Globalisierung ein ausgezeichneter Hebel, weltweit die arbeitenden Menschen, aber auch die wirtschaftlich schwächeren Länder auszuplündern.
In diesem Zeitraum ist die Lebenserwartung in Afrika um 15 Jahre auf 48 Jahre gesunken. Der Anteil am Welthandel ist von fast vier Prozent auf weniger als ein Prozent gefallen. Wäre das Niveau des Exporterlöses von 1980 gehalten worden, hätten die afrikanischen Länder heute jährlich 280 Milliarden US-Dollar mehr in der Kasse. Eine gigantische Summe, wenn man bedenkt, dass heute das Bruttosozialprodukt des gesamten Afrika südlich der Sahara niedriger ist als das Belgiens.
Die Tatsache, dass ausgerechnet der „Schwarze Kontinent” so hart getroffen und wirtschaftlich abgehängt wurde, roch für viele schon nach rassistischen Vorsätzen der USA und anderen Großmächten. Der radikale schwarze US- Bürgerrechtler Malcolm X meinte zu recht: „Es gibt keinen Kapitalismus ohne Rassismus”. Der Rassismus ist für Kapitalisten ein Spaltungsinstrument, das sie immer einsetzen, wo es für sie nötig ist. Es ist kein Selbstzweck. Argentinien oder Indonesien werden von IWF und Weltbank nicht weniger brutal angegangen. Oft können aber gleiche Maßnahmen unterschiedliche Schäden hervorrufen. Bei der extremen Schwäche afrikanischer Länder, die oft von einem einzigen Produkt abhängen, kann eine einzige IWF-Maßnahme gleich den totalen Zusammenbruch bedeuten.
Kampf um Einflussgebiete
Nach dem Zusammenbruch des Stalinismus ist die Konkurrenz zwischen den imperialistischen Mächten enthemmter geworden. Viele afrikanische Staaten leiden unter einem unerklärten Krieg zwischen den USA und den traditionellen Kolonialmächten, besonders Frankreich, um Einflusszonen auf dem Kontinent. Innerhalb von weniger als 15 Jahren hat die USA einen Korridor von Eritrea, Äthiopien, Kenia, Uganda, Ruanda, Burundi und der Demokratischen Republik Kongo (zumindest ein beträchtlicher Teil davon) unter seine Kontrolle gebracht und Britannien, Belgien und Frankreich verdrängt.
Der Bürgerkrieg und Massenmord in Ruanda 1994 war unter anderem ein Ausdruck dieser scharfen Auseinandersetzung zwischen den USA und Frankreich. Die USA unterstützten und bewaffneten Uganda und die dort stationierten Rebellen der Ruandischen Patriotischen Front. Frankreich bewaffnete und kämpfte auf Seite des Ruandischen Militärregimes und ihren mörderischen Milizen.
Dieses Muster: USA auf der Seite dubioser Rebellen und Frankreich auf der Seite nicht weniger reaktionärer Regierungen (zum Teil gewählt, zum Teil Diktaturen) zieht sich über den ganzen Kontinent. Frankreich sieht sich meist gezwungen, jede Regierung bis zum bitteren Ende zu unterstützen, um nicht Panik unter den anderen Schützlingen aufkommen zu lassen.
Auch bei den militärischen Auseinandersetzungen spielen IWF und Weltbank eine entscheidende Rolle. Obwohl sonst den Ländern eine verheerende Sparpolitik verordnet wird drücken sie bei der Aufrüstung ein Auge zu. Obwohl die Weltbank die Kontrolle über die Verwendung der Kredite hatte, explodierten die Schulden Ugandas zwischen 1994 und 1997 von 1,3 auf 3,7 Milliarden Dollar. Das meiste ging in die Rüstung für die militärischen Interventionen in Ruanda und Zaire im Auftrag der USA. Und bezahlen soll letztendlich das Ugandische Volk.
Wachsender Widerstand
Die Hoffnung, Afrika durch die Markwirtschaft zu entwickeln, stand immer schon auf tönernen Füßen. Nun ist auch das angebliche Erfolgsmodel Elfenbeinküste – durch den Bürgerkrieg und den drohenden Kollaps – schlagartig abhanden gekommen. Wachsende Ablehnung der neoliberalen Politik und die Suche nach Alternativen durchziehen den Kontinent, besonders in Ländern wie Nigeria und Südafrika mit einer starken Arbeiterklasse.
In Nigeria wurde die Militärdiktatur nach einem langwierigen Kampf zum Teufel gejagt. Die Fortsetzung der Politik des Sozialabbaus, der Preiserhöhungen und des Stellenabbaus durch die neue Regierung wurde mit Streiks und Generalstreiks (zwei allein in den letzten zwei Jahren) teilweise verhindert.
Die stärkste und kampferfahrenste Arbeiterklasse ist aber nach wie vor in Südafrika. Die Illusion in die ANC-Regierung, nach ihrem überwältigendem Wahlsieg vor acht Jahren, schwächte zunächst die Arbeiterbewegung politisch und organisatorisch. Dies wurde durch die Regierungsbeteiligung der Kommunistischen Partei (KP) und der Führung des COSATU (Gewerkschaftsdachverband) bestärkt.
Die Enttäuschung über die neoliberalen Politik schlägt sich jetzt aber in Streiks und Generalstreiks nieder, zum Beispiel im letzten Oktober gegen das Privatisierungsprogramm der Regierung.
Sozialistische Ideen finden wieder Anklang unter den ArbeiterInnen und Jugendlichen. Sie wissen heute vor allem, dass eine sozialistische Alternative nichts mit dem Sozialismus der KP gemein haben kann. Der bescheidene aber wachsende Zulauf zu DSM (Democratic Socialist Movement, Schwesterorganisationen der SAV in Nigeria und Südafrika) drückt das wachsende sozialistische Bewusstsein in Afrika aus. Eine sozialistische Revolution in Nigeria oder Südafrika würde schlagartig den Niedergang des Kontinents stoppen und ein neues Zeitalter eröffnen.
von Gaétan Kayitare, Aachen