Wie in Liverpool in den 80er Jahren Gegenwehr organisiert wurde
Die öffentlichen Haushalte sind nahezu pleite, die Politiker reagieren mit Sozialabbau und Abbau von Arbeitsplätzen, Schließung von Schwimmbädern und Verkauf staatlicher Unternehmen. Grund sind die Massenarbeitslosigkeit aufgrund der Krise des Systems und die jahrelange Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums zu den Banken, Konzernen und Reichen.
von Jörn Kroppach, Hamburg
Gegen die kommunalen Kürzungen gibt es bundesweite vielfältigen Widerstand. In allen Protesten herrscht überwiegend Einigkeit, wogegen man ist und dass mehr Geld für Soziales und Bildung ausgegeben werden muss. Über das Wie und Wohin herrscht allerdings Unklarheit. Es gibt jedoch Alternativen zu Sparpolitik und Wirtschaftsförderung. Ein Beispiel für diese Alternative ist die Stadt Liverpool.
Vor dem Hintergrund von Krise, Massenarbeitslosigkeit und Kürzungen in Liverpool eroberte die sozialistische Linke unter maßgeblicher Beteiligung der CWI-Mitglider in der Labour Party 1983 die Mehrheit. Die damalige Labour Party ist in ihrer Zusammensetzung und Verbindung zur Arbeiterklasse nicht zu vergleichen mit „New Labour“ heute. Bei den Kommunalwahlen gewannen sie mit einem sozialistischen Wahlprogramm, das statt Kürzungen weitgehende Reformen vorsah. Bis 1987 trug der sozialistisch geführte Stadtrat die Verantwortung.
5.000 Wohnungen, 12.000 Arbeitsplätze
In dieser Zeit konnte er einen Großteil seiner geplanten Reformvorhaben umsetzen: Bau von 5.000 Sozialwohnungen und Stadtteilsanierung unter Mitsprache der Bevölkerung, dadurch Schaffung beziehungsweise Sicherung von 12.000 Arbeitsplätzen in der Bauwirtschaft, Einführung der 35-Stunden-Woche bei den städtischen Bediensteten, Rücknahme von 1.000 geplanten Entlassungen und Schaffung 1.000 neuer Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst, Schaffung von 100 neuen Lehrstellen, Neueinstellung von 519 LehrerInnen, Bau von sechs neuen Kindertagesstätten, Bau neuer Sportzentren.
Diese Reformen überstiegen die finanziellen Mittel der Stadt. Doch der sozialistische Stadtrat beschloss diesen formal illegalen Haushalt und verlangte von der Thatcher-Regierung die Gelder zurück, die in den Jahren zuvor zugunsten der Unternehmen und der Reichen aus den Kommunen abgezogen worden waren. Die Regierung kam unter Druck und gewährte 1984, dem ersten Jahr der Auseinandersetzung, 95 Prozent der geforderten Gelder.
Dass der Stadtrat diesen Druck auf die Regierung entwickeln konnte, lag an der aktiven Unterstützung durch die Mehrheit der ArbeiterInnen, Angestellten, Arbeitslosen und Jugendlichen in Liverpool und über die Stadt hinaus. Der Stadtrat warb um die Unterstützung vor den Fabriktoren, in den Betrieben, auf Gewerkschaftsversammlungen, auf der Straße und in den Stadtteilen. Er informierte und mobilisierte die Liverpooler Bevölkerung auf Kundgebungen, auf Versammlungen von tausenden Vertrauensleuten bis hin zu einem stadtweiten mehrstündigen Generalstreik mit 50.000 TeilnehmerInnen.
Die SozialistInnen im Liverpooler Stadtrat verbanden den Kampf für Reformen mit dem Kampf gegen den Kapitalismus. Sie erklärten, dass der Kampf gegen Sozialabbau und Arbeitsplatzvernichtung mit dem Kampf für eine Gesellschaft ohne Profitstreben verbunden werden muss. Eine Stadt allein kann das nicht leisten. Sie kann aber ein Vorbild sein und dafür sorgen, dass sich der Kampf ausweiten kann.