Interview mit dem Generalsekretär der DSM (Democratic Socialist Movement) in Nigeria, Segun Sango
Die DSM ist die nigerianische Schwesterpartei der SAV.
Die Miss-World-Wahl hat vor kurzem zu blutigen religiösen Unruhen im Norden Nigerias geführt. Die Austragung der Wahlen ist nach London verlegt worden. Wie kam es dazu?
Die Ausschreitungen sind durch einen Zeitungsartikel ausgelöst worden. In diesem wurde behauptet, der Prophet Mohammed hätte eine der Bewerberinnen geheiratet. Daraufhin ist das Redaktionsbüro gestürmt, Artikel verbrannt und das Büro zerstört worden. Von den islamistischen Gruppen ist die Todesstrafe für diese Journalisten gefordert worden. Die Ausschreitungen begannen in der nördlichen Stadt Kaduna. Kirchen und Gebäude wurden verwüstet, Menschen wurden umgebracht.
Dies ging von den islamistischen Gruppen aus, später wurden auch Moscheen angezündet. Das Ganze zeigt die Tiefe der ethnischen und religiösen Spannungen in Nigeria. Die Lage ist instabil und sehr gefährlich. Die Situation kann jederzeit explodieren. Dies hat sich seit der Einführung der Sharia in zwölf Staaten des Nordens noch verstärkt. Dies ist ein direkter Angriff gegen die Rechte von Frauen. Seit 2000 sind drei Frauen zu Tode gesteinigt worden. Momentan versuchen wir die Ermordung von Amina Lawal zu verhindern.
Obwohl die westlichen Medien dieses Mal sehr stark berichtet haben, muss man sagen, dass solche Massaker fast schon zum Alltag in Nigeria gehören. Seit 1999 sind 10.000 Menschen umgebracht worden.
Die Miss Wahl war eine großangelegte Kampagne, in der sowohl von der Regierung als auch von Privatkapital Millionen von Dollar investiert wurden. Neben Personen aus der Führungselite, war es die Frau des Präsidenten selbst, Stella Obasanjo, die sich hinter dieses Projekt gestellt hat.
Wir als Sozialisten haben von Anfang an gegen diese sexistische Wahl opponiert. Im Allgemeinen war die Stimmung aber vor allen Dingen im Norden dagegen und bei den Moslems im Süden. Im restlichen Teil des Landes ist die Wahl eher als etwas Positives gesehen worden, als etwas, das dem Land ein besseres Image gibt und Investitionen anlockt.
Wieso hat sich die DSM dagegen gestellt?
Solche Schönheitswettbewerbe sind andere Mittel um Frauenunterdrückung zu verstärken. Ihr Konzept von Schönheit sieht Frauen nicht als komplexe Persönlichkeiten, sondern in erster Linie als Sex-Objekte, die nur in Bezug auf männlichem Begehren existieren. Es gibt keinen Zweifel, dass sexuelle Gewalt in dem Maße zu nimmt, in dem dieses Frauenbild verbreitet wird.
Die Organisatoren des Wettbewerbs wollten ihre Veranstaltung als modern und nicht sexistisch darstellen. Sie haben argumentiert, dass einige von den Teilnehmerinnen studieren oder seriöse Berufe ausüben. Das mag sein, aber das ist nur ein Versuch, davon abzulenken, dass die Siegerin nur über ihr Äußeres definiert wird. Die Frage, die sich doch stellt ist, warum haben alle Bewerberinnen die gleiche Größe, eine Kleidergröße von 34/36 und gleichen sich, wie ein Ei dem anderen?
Der Grund dafür ist, dass diese Art Wettbewerb im direkten Zusammenhang steht mit dem Willen von multinationalen Konzernen ihre Produkte zu verkaufen und ihre Profite zu machen, in dem sie Frauen für Werbung missbrauchen. Ein gewisses Frauenbild wird verbreitet. Models werden dünner, weil es einen Druck der Modeindustrie gibt, dass Frauen einem bestimmten Bild zu entsprechen haben. Während Frauen die Hauptleidtragenden von dieser Entwicklung sind, können die Multis und Show Promoter wie Silverbird und Ben Bruce Millionen von Dollar einstreichen und ein breites Grinsen aufsetzen.
Die Millionen von Dollar, die hier verschwendet wurden, hätten an anderer Stelle weitaus besser investiert werden können: in Ausbildung, Gesundheit, Kinderbetreuung oder Arbeitsplätzen mit vernünftigen Löhnen. Dies wäre ein sinnvoller Beitrag gewesen um das Analphabetentum, Arbeitslosigkeit, Prostitution und Gewalt gegen Frauen einzuschränken.
Wie geht ihr selber mit der religiösen Spaltung im Land und in der Bewegung um? Gibt es einen Ausweg für Nigeria?
In unserer Organisation sind Christen, Moslems und Nichtgläubige. Die DSM unterstützt und verteidigt die Rechte von Gläubigen, und die praktische Ausübung des Glaubens. Wir kämpfen gegen jede religiöse Diskriminierung. In diesem Sinne respektieren wir auch das Tragen eines Kopftuches.
Gleichzeitig fordern wir die Trennung von Staat und Religion. Religion sollte als persönliche Sache eines jeden einzelnen behandelt werden. Die Weigerung aller kapitalistischen Regierungen in den letzten Jahren, ob Zivil- oder Militärregierung, dies umzusetzen, hat zu diesen wachsenden blutigen Spannungen innerhalb der Bevölkerung geführt. Die Regierenden auf allen Ebenen heizen diese Spannungen weiter an, um persönliche oder politische Vorteile aus dieser Situation zu ziehen.
Jedes Jahr werden Milliarden Naira dafür ausgegeben. Im Norden werden militante islamistische Gruppen von den Herrschenden gefördert. Die Elite im Süden benutzt die christliche Religion und die Bibel für ihre Interessen. Dort werden mit öffentlichen Geldern Kirchen gebaut und Pilgerfahrten nach Jerusalem organisiert.
Die Sozialisten stellen sich gegen die Teilung der Arbeiterklasse entlang ethnischer und religiöser Linien. Wir sehen, dass die Massen von ChristInnen und Moslems vor den selben Problemen stehen: Massenarbeitslosigkeit, Hungerlöhne und Massenarmut. Sie werden alle von der Regierung attackiert. Wir stehen für Einheit im Kampf für höhere Löhne, gegen Repression, freien Zugang zu Bildung und zur medizinischen Versorgung.
Es gibt nicht nur ethnische und religiöse Konflikte in Nigeria. Es hat bedeutsame Arbeiterkämpfe in der Vergangenheit gegeben. Zwei Generalstreiks haben stattgefunden. Diese Streiks waren massive Proteste der Arbeiterklasse in ganz Nigeria. An diesen Tagen war das Land vollkommen lahmgelegt. Ethnische und religiöse Konflikte waren vergessen. Die religiösen Gruppen sind kein Teil dieser Bewegung. ChristInnen und Moslems nehmen als ArbeiterInnen am Arbeitskampf teil.
Die Gewerkschafts- und Arbeiterbewegung muss für Beschäftigung und gegen Privatisierung kämpfen. Sie muss sich für eine sozialistische Umgestaltung stark machen. Dies ist die einzige Möglichkeit für Nigeria, die Probleme mitsamt ihrer kapitalistischen Wurzeln zu packen und zu lösen.
Das Interview führte Kim Opgenoorth.