PDS-Debakel ? neue Arbeiterpartei aufbauen!

Standpunkt der Solidarität – Sozialistische Zeitung, Oktober 02

Für die PDS waren die Bundestagswahlen ein Desaster. Sie verlor knapp 600.000 Stimmen und konnte nur zwei Direktmandate gewinnen. Bei den zeitgleich stattfindenden Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern büßte die PDS über 100.000 Stimmen ein.
Wurde damit sozialistischer Politik eine Abfuhr erteilt? Handelt es sich um eine Niederlage für die Linke? Das Gegenteil ist der Fall, auch wenn viele Linke von dem Ergebnis enttäuscht sein werden. Die PDS hat eine Abfuhr für Rückgratlosigkeit, Anpassertum, Regierungsbeteiligung, Sozialabbau, Privilegien und außerparlamentarische Passivität erhalten. 300.000 ehemalige PDS-WählerInnen sind nicht zur Wahl gegangen, andere haben lieber das sozialdemokratische Original gewählt.
 
Ost-Deutschland

Die PDS hat die Wahlen im Osten verloren und hier vor allem in Mecklenburg-Vorpommern und in Ost-Berlin. Hier konnten sich die WählerInnen davon überzeugen, dass sich die PDS als Regierungspartei nicht von den etablierten Parteien unterscheidet. Acht Jahre Toleranz der SPD-Regierung in Sachsen-Anhalt, vier Jahre SPD-PDS-Koalition in Mecklenburg-Vorpommern und ein Jahr ?rot-roter? Senat in Berlin haben keinen Politikwechsel, sondern Sozialkürzungen und Privatisierungen mit PDS-Beteiligung bedeutet. Vor allem in Berlin hat sich die PDS dadurch hervorgetan die schärfsten sozialen Einschnitte in der Geschichte der Stadt mitzutragen.
Das sieht die PDS-Spitze natürlich ganz anders. Deshalb kann sie das Debakel auch nicht erklären und mag es auf Gregor Gysis Rücktritt als Berliner Wirtschaftssenator schieben. Gysis Rücktritt war nur Ausdruck dieses Verfalls der PDS zu einer pro-kapitalistischen Sozialabbau-Partei. Seine Flugmeilen-Affäre machte vielen Menschen klar, dass die PDS sich eben nicht qualitativ von den etablierten Parteien unterscheidet und dass die PDS-SpitzenpolitikerInnen genauso selbstverständlich Privilegien annehmen und von der Basis abgehoben sind, wie PolitikerInnen der anderen Parteien.

Sozialistische Politik

Die PDS hat nicht aufgrund von sozialistischer Politik die Wahlen verloren, sondern gerade weil sie keine sozialistische Politik betrieben hat. Das belegt auch die Tatsache, dass der Grüne Christian Ströbele mit einem klaren linken Profil den Wahlkreis Kreuzberg/Friedrichshain in Berlin gewonnen hat. Sein Motto ?Ströbele wählen heißt Fischer quälen? und sein Bekenntnis er sei ?sozial und Sozialist? haben offensichtlich mobilisiert und nicht abgeschreckt.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Westausdehnung der PDS nun endgültig gescheitert ist. Sie ist nur noch eine regionale, ostdeutsche Regierungspartei. In zwei von sechs ostdeutschen Bundesländern ist sie an der Regierung beteiligt. Das wird ihre Politik in den nächsten Jahren dominieren.
Ein Mittel antikapitalistische Politik in ganz Deutschland zu stärken ist die PDS nach ihrem Rauswurf aus dem Bundestag noch weniger. Die antikapitalistischen und sozialistischen PDS-Mitglieder und -UnterstützerInnen müssen sich die Frage stellen, ob es nicht an der Zeit ist ein neues Projekt, eine neue Arbeiterpartei, gemeinsam mit GewerkschafterInnen, anderen SozialistInnen und AktivistInnen der Bewegung gegen die kapitalistische Globalisierung zu starten. Die SAV macht sich schon seit Jahren für den Aufbau einer neuen Arbeiterpartei stark. Dies ist die notwendige Konsequenz aus der vollständigen Verbürgerlichung der SPD und der Dominanz des rechten Flügels in der PDS.
Wir rufen alle Linken und GewerkschaftsaktivistInnen dazu auf, eine Debatte um die Bildung einer solchen Partei zu beginnen.