Die Krisenspirale in Lateinamerika dreht sich weiter
In Venezuela gab es Zusammenstöße mit der Polizei, weil das Oberste Gericht Teilnehmer des Putschversuchs vom April freisprach. In Kolumbien verhängte die Regierung den Ausnahmezustand. Uruguay nähert sich argentinischen Verhältnissen.
von Wolfram Klein, Stuttgart
Durch die enge Verflechtung mit Argentinien steckt Uruguay schon das vierte Jahr in einer Rezession. Die offizielle Arbeitslosigkeit beträgt inzwischen 16 Prozent. Die Regierung hat auf die Krise mit Kürzungen und Steuererhöhungen reagiert, was schon zu massiven Protesten bis hin zu einem Generalstreik im Juni geführt hat.
Jetzt ist Uruguay die Rolle als Schweiz Lateinamerikas zusätzlich zum Verhängnis geworden. In der Vergangenheit hatte die verhältnismäßige Stabilität des Landes (die aber nicht mit Demokratie gleichbedeutend war, sondern brutale Militärdiktaturen einschloss) das Land zu einem Finanzzentrum, auch für die Nachbarländer, gemacht. Als Folge haben zum Beispiel viele reiche Argentinier ihr Geld nicht nur in Europa, sondern auch in Uruguay angelegt.
Als Ende letzten Jahres die argentinische Regierung die Geldbeträge drastisch begrenzte, die von den Konten abgehoben werden dürfen, gingen diese Reichen daran, ihre Konten in Uruguay zu leeren. Im ersten Halbjahr wurde ein Drittel der Bankeinlagen in Uruguay abgehoben. Die Folge war ein Kursverlust des uruguayischen Peso und ein drastischer Rückgang der Devisenreserven des Landes, da die Notenbank Devisen verkaufte, um den Peso zu stützen, bis sie schließlich den Kurs freigab, worauf der Peso im Juli die Hälfte seines Wertes gegen den Dollar verlor.
Generalstreik
Ende Juli zog die Regierung die Notbremse. Die Banken wurden für sechs Tage geschlossen. Die Bevölkerung, die nicht mehr an ihr Geld kam, reagierte wie in Argentinien mit Protesten und vereinzelten Plünderungen, um an Lebensmittel zu kommen. Am 30. Juli fand ein Generalstreik statt, zu dem die 42 Mitgliedsgewerkschaften des größten Dachverbandes PIT-CNT einstimmig aufriefen.
Inzwischen sah sich die US-Regierung gezwungen, ihre Politik zu ändern, die lateinamerikanischen Länder seelenruhig wirtschaftlich gegen die Wand fahren zu lassen. Sie gab Uruguay einen Überbrückungskredit von 1,5 Milliarden Dollar, der durch Kredite von IWF, Weltbank und Interamerikanische Entwicklungsbank abgelöst werden soll, die EU will großzügige 18,6 Millionen Euro geben.
Im Vergleich zu den wirtschaftlichen Schäden, die IWF, Weltbank, die multinationalen Konzerne und die ihnen dienenden Regierungen in den USA, Europa und auch Lateinamerika den Menschen dort zugefügt haben, sind diese Beträge kläglich und völlig unzureichend und vor allem mit der Fortsetzung der bisherigen Politik verbunden. Die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik CEPAL schätzt, dass dieses Jahr die Wirtschaft in ganz Lateinamerika um 0,8 Prozent schrumpfen wird, in Uruguay um 5 Prozent und in Argentinien sogar um 13,5 Prozent.
Der Kredit ermöglichte der Regierung zwar, die Banken wieder zu öffnen, die Proteste gingen aber weiter, unter anderem mit einem dreitägigen Streik im Gesundheitswesen (viele Krankenhäuser können ihre PatientInnen nicht mal mehr ernähren) und einem weiteren Generalstreik am 7. August.