Editorial in Militant, 10. Februar 1989
   
  Zur großen Überraschung der westlichen kapitalistischen Regierungen   werden alle russischen Kräfte vor dem 15. Februar aus Afghanistan   abgezogen sein.
Gorbatschows Gier, den vereinbarten Stichtag   einzuhalten, ist aber so einseitig wie das Genfer Abkommen vom letzten   Jahr. Unter dem von der UN vermittelten Abkommen zwischen der UdSSR, den   USA und Pakistan vereinbarten beide Seiten, die "Einmischung" zu beenden   und die militärische Unterstützung für die miteinander kämpfenden Kräfte   in Afghanistan auslaufen zu lassen. Während sich die Sowjetunion   peinlich genau an den Buchstaben des Vertrags hielt haben weder die USA   (durch die CIA) noch Pakistan die Finanzierung und Bewaffnung der   Mudschaheddin eingestellt.
Als es klar wurde, dass die russischen   Kräfte tatsächlich am Stichtag draußen sein würden, haben die westlichen   Mächte unter Führung der USA, die von Thatcher leidenschaftlich   unterstützt werden, ihre Bemühungen zur Destabilisierung des Regimes von   Präsident Nadschibullah gesteigert. Zum Beispiel war der Abzug aller   westlichen diplomatischen Missionen ein offensichtlich kalkulierter   Versuch, bei der Herbeiführung des Zusammenbruchs des Kabuler Regimes zu   helfen.
Übertriebene Propagandageschichten waren immer ein Merkmal   der Berichte aus Afghanistan und dies geht zweifellos weiter.
Trotzdem   ist das Bild von Chaos und immer größerem Zusammenbruch, das aus den   Fernsehberichten und seriösen kapitalistischen Medien entsteht, zu   schlüssig, um ignoriert zu werden.
Nadschibullah behauptet   trotzig, dass er die Mudschaheddin bis zum bitteren Ende bekämpfen   werde. Er bekräftigt, dass er nicht zurücktreten werde, um Platz für   eine Kompromissregierung zu machen. Er weist Behauptungen zurück, dass   sein Regime am Rande des Zusammenbruchs stehe und erklärt, dass die   afghanische Armee gestärkt worden sei. Er behauptet, Kabul werde mit   russischer Hilfe weiterhin versorgt werden.
Aber die Mudschaheddin   haben trotz ihrer internen Rivalitäten den Druck verstärkt, Kabul und   anderen Städte zu belagern und Kabuls Rettungsleine, die   Salang-Fernstraße abzuschneiden. Berichte zeigen Brot- und   Erdölknappheit an.
Die Stadt ist durch über eine Million   Flüchtlinge angeschwollen. Die großen Härten für Teile der Bevölkerung   wurden durch einen außerordentlich kalten Winter noch schlimmer gemacht.   Ein paar Berichte, die zweifellos dem Regime gegenüber feindlich sind,   behaupten, dass Staatsbeamte und Armeeangehörige zunehmend ihre Posten   verlassen.
Nadschibullah sagte kürzlich Journalisten: "Sicher, sicher   — ich bin zuversichtlich". Die Sprecher der westlichen Regierungen   behaupten jedoch, dass seine Tage gezählt seien.
Egal wie sich   die Dinge entwickeln, es gibt keinen Zweifel, dass die Lage einen   kritischen Punkt erreicht hat.
Die verschiedenen   Mudschaheddin-Gruppen sind durch den russischen Abzug ermutigt und habe   ihre Offensive gesteigert. Sie sind in ihrer Opposition gegen das   Nadschibullah-Regime einig und lehnen jetzt auch unnachgiebig die   Teilnahme der herrschenden Partei, der Volkdemokratischen Partei   Afghanistans (PDPA) in einer provisorischen Versammlung oder   Übergangsregierung ab. Nachdem die PDPA die russische   Militärunterstützung verloren hat, sehen die Mudschaheddin keinen Grund   zum Kompromiss.
Abgesehen davon sind die Mudschaheddin jedoch völlig   gespalten. Es gibt sieben Gruppen mit Führern, deren Basis Pakistan ist,   und acht Gruppen mit Führern im Iran. Sie vertreten verschiedene Teile   der alten herrschenden Schicht Afghanistans und haben verschiedene   reaktionäre Zahlmeister und Patrone im Ausland (wenn auch die meisten   von ihnen einen Teil des Geldes und der Waffen der USA erhalten).
Sie   sind nach örtlichen ethnischen und Stammeslinien gespalten. Manche von   ihnen sind sunnitisch und andere schiitisch, viele von ihnen exteme   islamische Fundamentalisten.
Rivalisierende Gruppen haben   gegeneinander um Kontrolle über Gebiete und Beute ebenso sehr wie gegen   das Regime gekämpft. Bis vor kurzem hatten manche Gruppen einen langen   Waffenstillstand mit der russischen Armee. Diese "heroischen   Widerstandskämpfer" sind verantwortlich für einen großen Teil der eine   Million Toten. Viele der sieben Millionen jetzt als Flüchtlinge lebenden   AfghanInnen wurden von den barbarischen Aktivitäten der Mudschaheddin   zur Flucht aus ihren Heimatgebieten gezwungen.
In den Mudschaheddin   hat sich der Imperialismus ein Monster geschaffen. Der Führer einer   Fraktion, der "gemäßigten" Nationalen Islamischen Front mit Sitz in   Pakistan griff seine schiitischen Rivalen an als "wilder als die   Kommunisten, weil sie unter dem Deckmantel des Islam plündern und   morden. Wenn sie die Macht übernehmen, wird das Blutbad weitere zehn   Jahre weitergehen."
Jetzt gibt es Zeichen, dass das Kabuler   Regime in ernsthafter Gefahr ist, die Kontrolle über Schlüsselstädte im   Süden und strategische Fernstraßen zu verlieren, die   "Widerstands"bewegung bedroht das Land mit einer gewaltsamen und   barbarischen Reaktion.
Das "Abkommen" zwischen dem Imperialismus und   der herrschenden Bürokratie der UdSSR wird keineswegs Frieden   garantieren, sondern eine Periode von Bürgerkrieg einläuten, in der   Afghanistan zwischen rivalisierenden Kriegsherren zerrissen werden wird.
Einmarsch
Wie   ist diese Lage zustande gekommen? Warum hat die russische Führung ihre   Kräfte, nachdem sie Weihnachten 1979 einmarschierten, so überstürzt   abgezogen? Was wird das Schicksal des Regimes und der grundlegenden   (wenn auch verzerrten) sozialen Veränderungen sein, die 1878-79 begannen?
Als   die russische Bürokratie in Afghanistan einmarschierte, lehnte   "Militant" das ab. Alle durch die Verteidigung der Abschaffung von   Großgrundbesitz und Kapitalismus in Afghanistan erreichten   Errungenschaften wurden nach unserer Argumentation völlig durch die   negativen Wirkungen auf das Bewusstsein der Arbeiterklasse international   wettgemacht.
Trotzdem argumentierten wird, dass es ein Fehler wäre,   den Abzug der russischen Truppen zu fordern, nachdem sie schon   reingegangen waren. Dies hätte in der Praxis bedeutet, die Mudschaheddin   zu unterstützen, deren Programm der Wiedererrichtung mittelalterlicher   Reaktion war.
Diese Analyse wurde durch die Ereignisse bestätigt. Die   falsche Strategie der Kreml-Führung hat zusammen mit den in Afghanistan   angewandten bürokratischen Methoden zur schlimmsten aller Welten geführt.
Als   Breschnew den Einmarsch in Afghanistan befahl, erwartete er nicht die   wütende Reaktion, die von den USA und ihren Verbündeten kam. Schließlich   war Afghanistan selbst unter dem früheren bürgerlich-bonapartistischen   Regime von Daud im russischen Einflussbereich gewesen.
Dass im April   1978 unter Tariki ein proletarisch-bonapartistisches Regime (eines auf   der Grundlage von verstaatlichter, geplanter Wirtschaft, über die aber   eine totalitäre Elite herrscht) an die Macht kam, überraschte den Kreml   sichtlich. Aber als das Überleben des neuen Regimes durch seine eigene   innere Zwietracht und der autokratischen Methoden des Aufzwingens der   Revolution von oben bedroht war, fühlte sich die russische Führung   gezwungen, zur Verteidigung eines Klientenregimes einzugreifen.
Die   Bürokratie hatte kurz vorher Waffen und Wirtschaftshilfe geschickt, um   die proletarisch-bonapartistischen Regime zu festigen, die in Angola und   Mosambik die Macht übernahmen. Und in dieser Periode war Washington   immer noch durch die Wirkungen der Niederlage in Vietnam von aktiver   Intervention gegen revolutionäre Bewegungen abgehalten.
Der   Einmarsch in Afghanistan kam aber, als es eine Verschiebung in der   Position des US-Imperialismus gab. Unter Carter und besonders unter   Reagan versuchten die USA, das "Vietnamsyndrom" zu überwinden und ihre   Macht in der Weltarena zu bekräftigen.
Der Einmarsch war eine   goldene Gelegenheit, ein Propagandageschenk, das zur Anprangerung der   "kommunistischen Aggression" und Rechtfertigung eines neuen Spurts beim   Aufbau von US-Waffenarsenalen und Schlagkraft verwendet werden konnte.   Unter Breschnew war die russische Führung bereit, sowohl die Kosten des   Krieges als auch die internationalen Auswirkungen durchzustehen. Aber   seit 1979 hat sich die Stellung der Bürokratie auch geändert. Unter   Gorbatschow war sie gezwungen, mit den Folgen des wegen dem   bürokratischen Missmanagement zurückgehenden Wirtschaftswachstums der   verstaatlichten Wirtschaft fertigzuwerden.
Militärausgaben, die etwa   15 Prozent der Produktion verbraucht hatten, waren eine ungeheure Last   geworden. Die Bürokratie musste Ressourcen für die Modernisierung der   Industrie finden und zugleich versuchen, den Lebensstandard der   Arbeiterklasse aufrecht zu erhalten.
So versucht Gorbatschow, ein   Übereinkommen mit dem US-Imperialismus zu erreichen. Er sucht   verzweifelt Abkommen, die die zerstörerische Eskalation der   Rüstungsausgaben verlangsamen sollen.
In den letzten paar Tagen   hat er eine Senkung des offiziellen Verteidigungshaushalts (der   wirkliche Haushalt ist viel höher) der UdSSR um 19 Prozent angekündigt.   Eine halbe Million Soldaten wird demobilisiert werden. Diese Kürzungen   sollen sowohl die kapitalistischen Führer beruhigen als auch die   öffentliche Meinung im Westen beeinflussen, um auf ihre Regierungen   Druck zur Rüstungssenkung auszuüben.
In Gorbatschows   Rechnungen ist das Halten der Stellung in Afghanistan gegenüber der   Möglichkeit, mit der US-Supermacht und ihren kapitalistischen   Verbündeten Abkommen zu erzielen, zweitrangig.
Sein Glaube, dass   es möglich sein wird, eine dauerhafte Vereinbarung mit dem Imperialismus   zu erreichen, ist jedoch eine Illusion.
Trotz allen Gesprächen und   bisherigen russischen Zugeständnissen steigert die USA ihre   Unterstützung für die Mudschaheddin in Afghanistan weiterhin.
Wenn   sich die Krise des Weltkapitalismus verschärft, werden die grundlegenden   sozialen Gegensätze zwischen Imperialismus und Stalinismus   unausweichlich eine Rückkehr zu offen feindseliger Politik bedeuten.
Afghanistan   ist auch nicht der einzige Rückzug auf Seiten der russischen Bürokratie.   Der Kreml macht Druck, ein Abkommen mit den USA und Südafrika wegen   Namibia zu erreichen. Er hat nennenswerte Unterstützung für das   sandinistische Regime in Nicaragua zurückgehalten, das nahe am   wirtschaftlichen Zusammenbruch ist. In Südostasien drängt die russische   Führung auf den Abzug der vietnamesischen Kräfte aus   Kambodscha/Kamputschea.
Abzug
Aber im Fall Afghanistans zieht sich   die russische Bürokratie ohne entscheidenden Erfolg bei der Festigung   des Regimes zurück.
In manchen Gebieten, besonders im Norden,   wurde die Bodenreform erfolgreich durchgeführt. Sanitäre Verhältnisse   und Gesundheitswesen wurden verbessert und die Stellung von manchen   Teilen der Frauen hat sich ungeheuer verbessert. Bildung hat begonnen,   den überwältigenden Analphabetismus der afghanischen Bevölkerung   anzugehen. Aber die Fortschritte sind vereinzelt und nur die   Unterstützung einer ziemlich dünnen Schicht der Gesellschaft wurde fest   gesichert.
Die russische Bürokratie intervenierte zunächst wegen der   plumpen bürokratischen Methoden des afghanischen Regimes.
In   Gebieten, in denen es große Ländereien gab, erhielt die Bodenreform   allgemein Unterstützung. In anderen Gebieten war die Lage aber   komplizierter, es gab viele verschiedene Formen von Landbesitz, Pacht,   Weiderechte und so weiter.
Das Regime versuchte, die Maßnahmen ohne   den Aufbau von Massenunterstützung unter den BäuerInnen und   Stammesangehörigen durchzudrücken und ohne die notwendige materielle   Unterstützung, um den Erfolg der Maßnahmen sicherzustellen.
Die   afghanische Gesellschaft war immer nach Stammesloyalitäten geteilt und   Kabuls bonapartistische Methoden erzeugten in manchen Gebieten heftige   Opposition. Keine Regierung in Kabul hat jemals mehr als lose Oberhoheit   über das ganze Land ausgeübt. Dann erzeugte die Intervention eines   ausländischen Invasoren, um das Regime in Kabul zu stützen noch weiter   verbreitete Opposition von den verschiedenen Gesellschaftsgruppen und   Stämmen.
Die russische Bürokratie hat großzügige Wirtschafts-   und Militärhilfe gegeben. Sie zwang Nadschibullah, das "sozialistische"   Etikett aufzugeben, um seine Unterstützung zu verbreitern. Aber sie   konnten immer noch keine feste Basis für ihn schaffen. Dieses Versagen   hat dem Imperialismus einen fruchtbaren Boden breitet, um religiösen und   nationalistischen Widerstand aufzupeitschen.
Der russische Abzug   unter diesen Umständen ist eine Niederlage für die Bürokratie. Dies   wurde durch jüngste Erklärungen von Gorbatschow und Außenminister   Schewardnadse unterschwellig zugegeben. Einfache russische Soldaten   gehen ohne jedes Gefühl von "revolutionären Errungenschaften".
Aber   der Vergleich zwischen der Niederlage der Bürokratie und der Niederlage   des US-Imperialismus in Vietnam ist völlig falsch. Trotz der Kosten des   Krieges, der 15.000 russischen Toten und vieler weiterer Verwundeter   wird die Bürokratie nicht durch eine militärische Niederlage   hinausgezwungen.
Gorbatschow und Co haben entschieden, dass es sich   angesichts ihrer globalen politischen Ziele nicht lohnt, an Afghanistan   festzuhalten.
Obendrein standen die USA in Vietnam einem vereinigten   nationalen Kampf auf der Grundlage der sozialen Interessen der   Bauernschaft, besonders ihrer Forderung nach Land, gegenüber. Der   Lumpensack aus religiösen und Stammesgruppen, der den "afghanischen   Widerstand" bildet, ist unfähig, sich zu einer zusammenhängenden   nationalen Bewegung mit gemeinsamen Zielen zu vereinigen.
Mit Geld   und Waffen von ausländischen Patronen konnten sie das Regime in vielen   Gebieten lähmen. Sie drohen jetzt, Afghanistan in eine neue und noch   blutigere Phase des Bürgerkriegs zu stürzen. Aber sie sind unfähig,   selbst eine neue Regierung zu bilden.
Wird Nadschibullahs Regime   überleben? Sein Schicksal ist klar in der Schwebe.
Gorbatschow   und Schewardnadse versprechen immer noch nicht wankende Unterstützung.   Aber in den letzten Wochen haben die Kreml-Diplomaten intensiv mit   Mudschaheddin-Führern verhandelt. Sie haben die Idee einer Schura   (Versammlung), die alle Gruppen einschließlich der PDPA vertritt,   propagiert.
Sie haben angedeutet, dass sie als Gegenleistung für eine   neue Regierung unter Einschluss "guter Moslems" (gegenwärtiger   nicht-PDPA-Minister) und ein oder zwei PDPA-Mitgliedern Nadschibullah   aufgeben und ihn und sein Kabinett aus dem Land zu den Villen fliegen   würden, die für sie schon in der UdSSR bereitstehen.
Zwar   sind machen Mudschaheddin-Führer bereit, "gute Moslems" zu akzeptieren,   aber niemand ist bereit, Beteiligung der PDPA zu akzeptieren. So bleibt   dem Kreml wenig Wahl als Nadschibullah die Treue zu halten. Ihm den   Teppich unter den Füßen wegzuziehen würde jetzt zweifellos den völligen   Zusammenbruch des Regimes einläuten.
Obendrein hat Nadschibullah   immer noch die Unterstützung derjenigen die ein direktes Interesse am   Regime haben, besonders Soldaten, Polizisten und Staatsbeamte, deren   Kopf unters Henkersbeil kommt, wenn das Regime fällt. Viele afghanische   Soldaten werden bis zum Schluss kämpfen, egal welche Zweifel sie haben,   wenn die Alternative blutige Rache von Seiten der Mudschaheddin ist.
Es   gibt jedoch wenig Zweifel, dass Moskau schon begonnen hat,   Alternativpläne für den Fall aufzustellen, dass Kabul fällt. Es gibt   Berichte, die andeuten, dass die Russen sogar während ihrem Abzug eine   befestigte Enklave — in der ein zusammengestutztes Nadschibullah-Regime   verteidigt werden könnte — um die nördliche Stadt Mazar-i-Scharif nahe   der sowjetischen Grenze befestigen.
Teilung
Viele Regierungsbeamte   und ihre Familien sind dorthin gezogen, zusammen mit einer großen   Konzentration an afghanischen Soldaten; russische Waffen und Vorräte   wurden da konzentriert und etwas russisches Personal bleibt vielleicht   in dieser Gegend.
Dies ist die Region, in der die Bodenreform und   andere Änderungen am erfolgreichsten waren. Die Landwirtschaft ist   verhältnismäßig fruchtbar und das Gebiet hat Erdgasreserven. Dort hat   auch der Großteil der jüngsten Industrieentwicklung stattgefunden.
Wenn   Kabul fällt, würde die russische Bürokratie höchstwahrscheinlich die   Fortsetzung des Nadschibullah-Regimes in dieser Enklave unterstützen,   zumindest, um ihre entscheidenden strategischen Interessen in der Region   zu schützen. Das würde praktisch die Teilung Afghanistans bedeuten.
Die   Zone im Norden würde von einem proletarisch-bonapartistischen   Klientenstaat der russischen Bürokratie kontrolliert. Der Rest des   Landes würde zwischen rivalisierenden Kriegsherren aufgeteilt, die   wiederum Klienten der USA, der pakistanischen herrschenden Klasse und   des iranischen Regimes sind.
Schritte aus den Reihen der afghanischen   Armeeoffiziere zur Entfernung Nadschibullahs sind auch möglich. Ein   neues bonapartistisches Regime, das die PDPA zurückweist, könnte   durchaus ein paar der Mudschaheddin-Führer einbeziehen. So sehr sie auch   Kabul wollen, würde ein Frontalangriff durch gespaltene Guerillagruppen   zu einem schrecklichen Massaker führen.
Ein Militärputsch mit   der Unterstützung von Teilen des Offizierskorps, der   Freiberuflerschicht, Kaufleuten und einem Teil der Mudschaheddin-Führer   könnte ein neues Regime in Kabul errichten. Die russische Bürokratie ist   schon mit der Idee einer breiteren Regierung hausieren gegangen. Es kann   nicht ausgeschlossen werden, das sie ein neues bonapartistisches Regime   unterstützen würden, vorausgesetzt, ihre strategischen Interessen an der   afghanisch-sowjetischen Grenze würden gewahrt.
In solch einer   instabilen Lage, bei der viele Faktoren unbekannt sind, ist es   unmöglich, den wahrscheinlichen Gang der Ereignisse mit Sicherheit   vorherzusagen. Was immer aber auch passiert, es scheint jetzt   unvermeidlich, dass die 1978/79 eingeleiteten revolutionären   Veränderungen in einem großen Gebiet von Afghanistan zurückgedreht   werden.
Die Verantwortung für diesen Rückschlag liegt beim   Stalinismus, der mit dem wirklichen Marxismus oder Internationalismus   nichts gemein hat.
Wenn das gegenwärtige Regime untergraben wird, sei   es nur in einem Teil des Landes, wird der soziale Fortschritt um viele   Jahrzehnte zurückgeworfen werden. Herrschaft durch die Mudschaheddin   bedeutet einen Rückfall in die Barbarei. Im Lauf der Zeit werden sich   nach einer Periode schmerzlicher Reaktion die Bedingungen für eine neue   Bewegung zur Veränderung der Gesellschaft entwickeln.
Aber die   Lehre der letzten zehn Jahre ist, das eine neue Bewegung sich auf eine   Bewegung von unten stützen und die ArbeiterInnen, BäuerInnen und   Stammesangehörigen Afghanistans mit einem marxistisches Programm   mobilisieren muss. Die Revolution in Afghanistan muss durch eine   internationalistische Perspektive mit dem Kampf der ArbeiterInnen und   BäuerInnen in ganz Asien verbunden werden.
Um eine Revolution   entlang von gesunden sozialistischen Linien zu sichern, muss die   afghanische Revolution auch mit dem Programm der politischen Revolution   in der Sowjetunion, Osteuropa und China zum Sturz der Bürokratie und   Errichtung von Arbeiterdemokratie verbunden werden.