Sonder-Steuer der Regierungskoalition: Frist für Selbst-Registrierung endet und Massen-Opposition dagegen auf neuem Höhepunkt
Der 31. März war von der irischen Regierung als Fristende für 1,86 Millionen Haushalte gesetzt worden, um sich für die sogenannte Haushaltssteuer registrieren zu lassen. Bei dieser Steuer i.H. von 100 Euro handelt es sich um eine Übergangsabgabe, bevor 2013 und 2014 dann neue Grundsteuern und eine Abgabe auf Wasser gezahlt werden soll. Der Bevölkerung wird dabei erzählt, dass, wenn man sich nicht fristgerecht registrieren lässt und die Haushaltssteuer zahlt, es zu Strafzahlungen kommen, man vor Gericht landen würde und am Ende Bußgelder von bis zu 2.500 Euro plus weiteren 100 Euro für jeden nicht bezahlten Tag die Folge wären.
von Cillian Gillespie und Matt Waine, „Socialist Party“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Irland), Dublin
Am 31. März gingen aber nicht nur schätzungsweise 14.000 Menschen in Dublin auf die Straße, um anlässlich des Parteitags von „Fine Gael“, der größeren der beiden Koalitionsparteien, gegen die Einführung der Sondersteuer zu protestieren. Auch hatten sich mehr als eine Million Haushalte, und das sind immerhin 59 Prozent, bis zu diesem Tag, dem Fristende, eben nicht registrieren lassen. „>Fine Gael, ihr versteht es nicht. Seht euch um! Wir sind Millionen!“, lautete der am meisten gehörte Slogan während des des Protestmarsches, der von der „Kampagne gegen die Haushaltssteuer und Wasserabgabe“ (CAHWT) organisiert worden war.
Die entschlossene und aufsässige Stimmung bei diesem Protest zeigte, dass die arbeitenden Menschen gegen die Steuer und gegen die drohende Einführung weiterer Grundsteuern und Wasser-Abgaben im nächsten Jahr ganz klar Stellung bezogen haben. Auch spiegelte der Protest die verbreitete Wut und Empörung in der Gesellschaft darüber wider, dass in Irland mit den von der Regierung eingeführten sogenannten Sparpaketen in den letzten vier Jahren zwar Milliarden von Euro eingenommen wurden, gleichzeitig aber den milliardenschweren Börsenmaklern Milliarden ausgehändigt wurden.
Mitglieder der „Socialist Party“ stießen auf der Demonstration auf große Zustimmung zu unseren Ideen. Wir verkauften etwas mehr als 500 Ausgaben unserer Zeitung, dem „Socialist“, und konnten tausende Flugblätter an die Frau und den Mann bringen. Viele äußerten während des Protestmarsches Interesse, der „Socialist Party“ beitreten zu wollen.
Am Samstag zuvor drängten sich mehr als 3.000 AktivistInnen und UnterstützerInnen der CAHWT im „National Stadium“ in Dublin. Anlass war eine zentrale Protestveranstaltung, zu der landesweit mobilisiert wurde. Seit den frühen Morgenstunden waren viele der TeilnehmerInnen unterwegs, um aus jeder Ecke des Landes pünktlich anreisen zu können.
Busreihen gespickt mit den Bannern der Kampagne
Sie kamen in Bussen in Dublin an, die gespickt waren mit Bannern, Plakaten und Fahnen der Kampagne.
Fünfzehn Minuten vor Beginn der Versammlung war die Halle überfüllt. Die vorsichtigen Versuche des Ordnerdienstes der Kampagne, die Gänge frei zu halten, scheiterten, weil immer mehr Menschen in die Halle drängten. Hunderte fanden nur aufgereiht an den Seitenwänden, in den Gängen oder gar auf der Bühne Platz. Draußen auf den Parkplätzen fanden sich rund ums Stadion mehrere hundert Menschen ein, die an den Türen stehend den über Lautsprecher übertragenen Reden lauschten.
Angekündigt worden war eigentlich eine wichtige Zusammenkunft von AktivistInnen, eine Woche vor Ablauf der von der Regierung gesetzten Frist zur Registrierung für die verhasste Haushaltssteuer. Dieses Treffen hatte jedoch den Charakter einer großen Festivität. Dudelsackspieler und Trommler gingen den einzelnen Delegationen von Kampagne-FührerInnen voran, die aus den benachbarten Wohnvierteln zu Fuß hergekommen waren.
Diese Veranstaltung viel zeitlich mit der Veröffentlichung des Berichts des sogenannten „Mahon Tribunal“ zusammen, das 1997 eingerichtet wurde, um Korruptionsfälle bei Bauprojekten zu untersuchen. Dabei kam ganz eindeutig heraus, wie durchtrieben und korrupt die Verbindungen zwischen den größten, irischen, Konzern-freundlichen, politischen Parteien und den super-reichen Baulöwen sind. Das trug zweifelsohne mit zur wütenden Stimmung unter den Leuten aus der Arbeiterklasse bei. Die anrüchigen Beziehungen zwischen Politikern und den Konzernen waren ein wesentlicher Grund für den Zusammenbruch der irischen Wirtschaft und die massiven und zutiefst unbeliebten Kürzungen, die darauf folgten.
Den bei weitem wichtigsten Aspekt des o.g. Berichts bildete die Tatsache, dass Bertie Ahern, ehemaliger „Taoiseach“ (Bezeichnung für den irischen Premierminister) und führender Kopf von „Fianna Fail“ (traditionell eine von Irlands größten pro-kapitalistischen Parteien), zu seinen persönlichen Finanzsituation gelogen hat. Ahern vermochte es nicht, eine glaubwürdige Erklärung dafür zu liefern, weshalb er zwischen 1993 und -95 mehr als 200.000 Euro erhalten hatte. Am Tag nach der Versammlung im „National Stadium“ wurde Ahern gezwungen, aus der „Fianna Fail“ auszutreten. Und dass, nachdem er vor seinem Ausschluss 14 Jahre lang deren Vorsitzender war.
Der Erfolg sowohl der Veranstaltung im „National Stadium“ als auch des Protestzuges am Samstag, dem 31. März, sowie – noch wichtiger – die Entscheidung von mehr als einer Million Menschen, sich gegen die Haushaltssteuer zu stellen, war zu einem Großteil nur deshalb möglich, weil viele hunderte und tausende von AktivistInnen der CAHWT 12 Wochen lang intensive Arbeit geleistet haben. Unter ihnen waren auch etliche Mitglieder der „Socialist Party“. Seit Januar hatten zusammengenommen mehr als 25.000 Menschen an den Treffen der Kampagne teilgenommen, die in allen Verwaltungsbezirken des Landes abgehalten wurden. Bei vielen dieser Treffen sprachen auch Joe Higgins und Clare Daly, beide Abgeordnete der „Socialist Party“ im Parlament in Dublin.
Ironischer Weise war es ein Minister der Regierung, Fergus O’Dowd, der der Kampagne eher versehentlich sein Ehre erwies. Als er in einer Radiosendung gefragt wurde, ob die Regierung vielleicht nicht ausreichend über die neue Steuer informiert habe, wies O’Dowd die Vermutung zurück, dass die Menschen nicht genug über die Steuer wüssten. Er begründete seine Aussage wie folgt: „Es gibt eine landesweite Kampagne gegen diese Abgabe. In so gut wie jedem Ort hängen Plakate. Ich sehe sie überall, wo ich hinkomme. Es werden sogar öffentliche Versammlungen dazu abgehalten.“
Strategie gegen die neue Steuer
Bei den landesweiten Treffen der CAHWT Anfang Januar wirkten Mitglieder der „Socialist Party“ daran mit, eine Strategie gegen die neue Steuer der Regierung auszuarbeiten, die in der Zeit zwischen Verkündung derselben und dem Fristende am 31. März greifen musste. Das hieß auch sicherstellen zu müssen, dass die Kampagne in jedem Teil des Landes aufgezogen würde. Und das Mittel dazu sollten Zusammenkünfte in jedem Verwaltungsbezirk des Landes sein.
Mitglieder der „Socialist Party“ spielten im „Koordinierungskreis“ der Kampagne eine wichtige Rolle. Dieser half bei der Organisierung sehr erfolgreicher Veranstaltungen mit. Dabei brachten sich viele Leute freiwillig ein, um Kampagne-FührerInnen in ihren Regionen zu werden. Die Slogans, die die „Socialist Party“ für die Kampagne vorschlug, wurden positiv auf- und einstimmig angenommen. Der Slogan, „Registriert euch nicht! Zahlt nicht! Sorgt für massenhafte Ablehnung bis zum St.Patrick’s Day!“, tauschte auf tausenden von Postern auf und Minister Fergus O’Dowd bezog sich in seinem Radiointerview genau auf sie.
Mitglieder der „Socialist Party“ machten sich für diesen Slogan stark, weil wir die Einschätzung hatten, dass viele Menschen aus der Arbeiterklasse angesichts der drohenden Konsequenzen im Falle der Nicht-Registrierung unruhig werden und eingeschüchtert sein könnten. Unsere Botschaft an sie sollte sein, dass man bis zum 17. März (dem „St. Patrick´s Day“; Anm. d. Übers.) standhaft bleiben solle. Wir sind nämlich davon ausgegangen, dass wir ab diesem Zeitpunkt tatsächlich für eine Stimmung und ein Art Kulminationspunkt sorgen könnten, was die wirklich massenhafte Ablehnung der Registrierung angeht. Und auf dieser Basis wäre die Kampagne in der Lage, den Menschen die Zuversicht zu vermitteln, um auch den 31. März verstreichen zu lassen.
Am 17. März hatten sich 85 Prozent der Betroffenen noch nicht für die Abgabe registrieren lassen. Das war ein Hinweis auf die gegen die Steuer gerichtete Stimmung und die Unterstützung der Idee der massenhaften Nicht-Registrierung. Weil viele Menschen sich aufgrund der angedrohten Bußgelder und Gerichtsverfahren Sorgen machten, war klar, dass die Zahl derer, die sich doch noch registrieren würden, in den letzten Tagen vor Fristende noch Schritt für Schritt zunehmen würde. Das bedeutete aber nicht, dass man die Steuer unterstützte. In den kommenden Monaten wird es wichtig sein, dass die Kampagne mit den Haushalten in Kontakt kommt, die sich haben registrieren lassen. Wir müssen versuchen, sie für die Massen-Kampagne gegen die Zahlung der neuen Grundsteuer und Wasserabgabe zu gewinnen, die 2013 kommen sollen.
Mythos vom kleinlauten irischen Arbeiter, der Kürzungen akzeptiert, greift nicht mehr
Das Ausmaß an Ablehnung und Widerstand gegen die Haushaltssteuer entkräftet den vom irischen kapitalistischen Establishment und den Massenmedien auf eingebildete Art und Weise verbreiteten Mythos, wonach die irischen ArbeiterInnen eine nicht enden wollende Spar-Diät akzeptieren und sich nicht wie die Menschen in Griechenland verhalten werden. Die Überschrift eines jüngst in der „New York Times“ veröffentlichten Artikels fasste die weitere Bedeutung der Kampagne zusammen: „Wachsende Bewegung gegen die neue Steuer zeigt: Es ist Schluss mit dem irischen Gleichmut“.
Wie die „Socialist Party“ es bei vielen Gelegenheiten schon ausgeführt hat, sind die Menschen aus der Arbeiterklasse auf der Suche nach einer Möglichkeit, sich gegen die Sparpolitik zu wehren. Immer wieder wurde ihnen dafür von einer verräterischen und unterwürfigen Gewerkschaftsbürokratie der Weg versperrt, die untätig dasitzt während Hunderttausende ihre Arbeitsplätze verloren haben oder von Lohnstreichung betroffen sind.
Weil die Gewerkschaften keine Opposition zu den Kürzungen beziehen, war ausreichend Platz für eine massive Propaganda-Offensive des Establishments. Gebetsmühlenartig hieß es immer wieder: „Es gibt keine Alternative“. Das zehrte am Selbstvertrauen vieler ArbeiterInnen und erzeugte angesichts der Tatsache, dass wir uns offenbar in Zeiten befinden, in denen es ständig zu Niederlagen und Rückschritten kommt, auch Zukunftsängste. Das sollte die bestimmende Perspektive der Menschen aus der Arbeiterklasse sein.
Doch das hat sich nun zu ändern begonnen. Die Kampagne CAHWT hat der Wut, die unter der Oberfläche der Gesellschaft zunimmt, auf organisierte Art und Weise Ausdruck verliehen. Unter bedeutsamen Schichten der Arbeiterklasse kommt es zunehmend zu einem Gefühl, dass wir so nicht weiterleben können. Aufgrund der Ungleichheiten in der Gesellschaft und eines Gefühls der Ungerechtigkeit infolge der Krise ist eine wachsende Wut zu verzeichnen.
Frontlinien sind klar
Hinsichtlich der Haushaltssteuer sind die Frontlinien klar abgesteckt. Der Kampf gegen die Haushaltssteuer bringt wichtige Aspekte mit sich. Die Kampagne muss sich auf die Möglichkeit vorbereiten, dass Menschen aus der Arbeiterklasse vor Gericht gebracht werden. In den nächsten Wochen und Monaten müssen wir unsere Kampagne in den Wohnvierteln der Arbeiterklasse stärker machen. Es sieht danach aus, als hätte die Regierung nicht keine Wahl und als müsse sie diesen Weg tatsächlich gehen, wenn sie bei der Einführung der neuen Steuern wirklich erfolgreich sein wollen. Wenn sie nicht versuchen werden, denen einen Schlag zu versetzen, die die Haushaltssteuer nicht bezahlen, warum sollte dann irgendwer noch neue Steuern berappen?
Wir müssen der Regierung aber auch eine politische Schlacht liefern. Dazu gehört, dass wir der Bedrohung begegnen müssen, dass die massenhafte Bewegung gegen die Haushaltssteuer benutzt wird, um damit weitere Kürzungen bei den kommunalen Dienstleistungen zu rechtfertigen. Das Vermögen der 300 reichsten Menschen in Irland ist zwischen 2009 und 2011 um 12 Milliarden Euro gewachsen. Die Kampagne sollte ihre Position für eine Vermögenssteuer für diese Leute weiter ausbauen. Sie und die anderen Super-Reichen Irlands müssen für unser Wohl zahlen. Der zerstörerische Charakter der Sparpakete muss vollends klar gemacht werden. Es muss eine Bewegung allgemein gegen alle Sparpakete aufgebaut werden. AktivistInnen in CAHWT sollten ermutigt werden, eine Opposition gegen das „Spar-Abkommen“ der Regierung aufzubauen, zu dem es Ende Mai ein Referendum geben wird.
In der Gesellschaft kommt es zunehmend zu der Einschätzung, dass die „Sparpolitik“ die wirtschaftliche Krise, die vor einigen Jahren begann, nur noch weiter verschlimmert. 2011 sank das irische Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 2,5 Prozent, weil der Binnenmarkt immer weiter zurückging. Dies wird die Grundlage für eine breite Revolte gegen die Sparpolitik der Regierung sein. Während es korrekt ist, für eine Vermögenssteuer einzutreten, besteht gleichzeitig auch die Notwendigkeit, die wichtigsten Teile der Wirtschaft unter demokratischer Kontrolle in öffentliches Eigentum zu überführen. Dies würde zu demokratischer Planung führen und dazu, dass die Geschäftsführung demokratisch vonstatten geht und die Ressourcen des Landes sinnvoll eingesetzt werden. Eine Fortentwicklung der Infrastruktur und der Industrie wäre somit möglich wie auch die Weiterentwicklung des Gesundheitssektors, des Bildungsbereichs usw.
Wenn die „Campaign Against the Household and Water Taxes“ auf ihrem ersten Erfolg weiter aufbauen kann, dann kann sie dem Kürzungsprogramm in Irland und in ganz Europa einen empfindlichen Schlag versetzen. Indem tausende von Menschen aus der Arbeiterklasse zusammengebracht werden und sich politisieren kann die Kampagne durchaus die Basis für den Aufbau einer neuen Partei der Arbeiterklasse in Irland schaffen. Die „Socialist Party“ wird weiterhin mit an der Spitze dieser Kampagne stehen und so auch dabei mithelfen, die Arbeiterbewegung in Irland wieder aufzubauen. Diese Ereignisse jetzt bieten uns eine historische Möglichkeit, den sozialistischen Ideen von James Connolly und Jim Larkin zu neuer Popularität zu verhelfen. Ideen, die für ein krisen-geschütteltes Irland nie bedeutsamer waren.