Thesen des Europäischen Büros des CWI
Anfang April trafen sich führende europäische, pakistanische, und israelische Mitglieder des CWI, um über internationale und insbesondere europäische Entwicklungen zu diskutieren. Die folgenden Thesen wurden dort debattiert und entsprechend dem Diskussionsverlauf angepasst.
Thesen des Europäischen Büros des CWI
Vor nur drei Monaten fand der CWI Weltkongress statt, doch die Welt hat sich seitdem aufgrund der Revolutionen im nahen Osten und Nordafrika dramatisch verändert. Dem folgten Erdbeben und Riesentsunami in Japan. Diese Ereignisse haben den durch die andauernde Weltwirtschaftskrise hervorgerufenen Eindruck einer Welt im Taumel noch mal verstärkt. Die Gefahr einer Kernschmelze der Kernreaktoren und der damit verbundene mögliche Fallout einer ähnlichen Größenordnung wie Tschernobyl hat die Unverantwortlichkeit des Kapitalismus der Umwelt gegenüber noch einmal verdeutlicht. Der Bau atomarer Anlagen in Erdbebengebieten, der Austritt radioaktiver Partikel und das schreckliche Erbe Atomaren Mülls für spätere Generationen hat die Welt mit Angst erfül
Die Revolution im nahen Osten und Nordafrika
Das CWI hat die Ereignisse im nahen Osten grob vorhergesehen. Im auf dem 10.Weltkongress des CWI im Dezember 2010 beschlossenen Weltperspektivendokument haben wir richtigerweise vorhergesehen, dass sich der nahe Osten kurz vor einer sozialen Explosion befindet. Dabei haben wir die Möglichkeit des Sturzes des Mubarak Regimes hervorgehoben. Unsere Erwartung war unter anderem, dass „der nahe Osten ein weiterer „hot spot“ für den Imperialismus ist. Es gibt kein stabiles Regime in der Region. (Absatz 54) Insbesondere hoben wir im selben Dokument die folgende Erwartung hervor: „Auch wenn der Konflikt zwischen Israelis und AraberInnen wichtig ist, ist er nicht der einzige Faktor, der für eine Ausarbeitung der Perspektiven für die Region herangezogen werden muss. Viel mehr als zuvor bereitet die wirtschaftliche Lage den Boden für große soziale und politische Bewegungen. Dies trifft insbesondere auf Ägypten zu… hier sind tektonische Verschiebungen auf der Tagesordnung. Die 30 Jahre andauernde Herrschaft von Mubarak kommt zu ihrem Ende. (Absätze 62/3) Diese Perspektive wurde durch die dramatischen und immer noch andauernden Ereignisse bestätigt. Revolution und die Idee der Revolution springen von einem Land ins nächste.
Dies hat Trotzkis Theorie der permanenten Revolution einmal mehr unterstrichen. Allerdings sind Trotzkis Ideen nicht für eine oberflächliche und einseitige Interpretation des Prozesses der permanenten Revolution zu gebrauchen. Er hat nie mit einem gleichmäßigen und einfachen Prozess gerechnet. Die russischen Revolutionen haben nicht ohne ernsthafte konterrevolutionäre Versuche triumphiert. Auch die Revolutionen im nahen Osten mussten sich mit konterrevolutionären Versuchen auseinandersetzen. In Tunesien und Ägypten war dies eine ernstzunehmende Gefahr, betrachtet man sich die mangelnde Vorbereitung der Massen, den Mangel an unabhängigen Kräften und den Fakt, dass der Militärapparat der alten Regimes nicht völlig abgebaut worden war. Dies war auch dadurch bedingt, dass die Massen aus der finsteren Nacht jahrzehntelanger Militärdiktatur hervorkamen. Dies wurde durch den Mangel echter revolutionärer ArbeiterInnenparteien bestärkt, deren Kader, hätte es sie gegeben, den Massen sehr schnelle Orientierung hätten geben können. Nichtsdestotrotz hat jeder konterrevolutionäre Versuch sture Opposition gegen die Reste des alten Regimes hervorgerufen, die Massenbewegung wurde immer wieder zum Leben erweckt wenn es den Anschein eines Einschlafens oder Abflauens gab. In Tunesien drückte die Revolution nach vorne.
Die durch das Gerücht, es werde versucht, Akten zu vernichten, die Auskunft über die Folterungen des Mubarak Regimes und die Beteiligung der Armee daran geben könnten, verursachte Besetzung des Sicherheitspolizeihauptquartiers zeigte, dass sich die Revolution nicht leicht zum Einschlummern bringen lassen wird. Ähnliche Ereignisse gab es in Tunesien. Doch die imperialistische Intervention durch die so genannte Flugverbotszone in Libyen ist ein Versuch die revolutionären Massen einzuschüchtern. Sie verkleidet sich als Unterstützung der libyschen Revolution. Doch in Wirklichkeit ist sie Teil einer generellen Offensive der Reaktion auf regionaler sowie internationaler Ebene. So soll der revolutionäre Prozess gestoppt und verkompliziert werden. Außerdem ist es ein Versuch des westlichen Imperialismus, sich des weiteren Zugangs zu den libyschen Ölquellen zu versichern. Nachdem Gaddafi zunächst umgarnt wurde, mit Waffen versorgt wurde usw., kalkuliert der Imperialismus nun, dass es das Beste ist, diesen ehemaligen „Freund“ zu verlassen, um ein späteres Landen auf der „richtigen – insbesondere der wirtschaftlichen – Seite der Geschichte“ sicherzustellen. Damit werden sie nicht durchkommen, wie die Ereignisse in Ägypten, Tunesien und auch dem Jemen während der jüngsten Periode gezeigt haben.
Das brutale Massaker im Jemen hat hat die Entschlossenheit der Massenbewegung nur bestärkt und führte zu den bislang größten Demonstrationen gegen das Regime sowie einen möglichen Rücktritt von Saleh. Der Überlauf des Stabschefs der Armee auf die Seite der Revolution war ein Schlüsselmoment. Er zeigt, das Saleh nicht genug vertrauenswürdige Kräfte hat. Doch das Willkommen, das diesem General von der jemenitischen Opposition beschert wurde, verdeutlicht gelinde gesagt deren konfuses Bewusstsein an der Basis. Sein Foto wurde aus der Verbrecherkartei konterrevolutionärer Schurken herausgenommen und in die Reihen der Engel überstellt!
Die rücksichtslose Intervention Saudi Arabiens in Bahrain, um die dortige Revolution zu erdrücken soll die Bahrainischen Massen einschüchtern und außerdem die ArbeiterInnen und BäuerInnen in Ländern, die noch nicht von der revolutionären Welle erfasst wurden, davon abhalten, den Kurs von Ägypten und Tunesien einzuschlagen. Intern hat die Konterrevolution derzeit eine abwartende Haltung in den jeweiligen Ländern eingenommen. Derzeit muss sie sich dem revolutionären Wind beugen, bis sie die Enttäuschung mit den Ergebnissen der Revolution für den Gegenschlag benutzen kann. Sobald das Referendum über die Verfassungsänderungen der Generäle in Ägypten aus dem Weg war gab das Militär sein Vorhaben zur Einschränkung und Verboten von Streiks und Demonstrationen bekannt. Nichtsdestotrotz geht der Trend der kommenden Periode in Richtung Vertiefung der Revolution, jedoch ist die Perspektive von Land zu Land unterschiedlich.
Auch ein neuer Nahostkrieg kann nicht ausgeschlossen werden. Auslöser eines solchen Krieges könnte die steigende Gewalt zischen Israelis und PalästinenserInnen sein, beispielsweise die Busbombe in Jerusalem und der zunehmende Konflikt in und um Gaza. Hat ein Krieg erst einmal begonnen und insbesondere wenn er sich ausweitet, kann er die arabischen Staaten mit einbeziehen, beispielsweise die nicht mehr durch ein pro amerikanisches und pro israelisches Mubarakregime zurückgehaltene ägyptische Armee. Der Druck der arabischen Massen, den PalästinenserInnen zur Hilfe zu kommen wird in der neuen Situation sehr intensiv sein. Dies wird insbesondere der Fall sein, sollten sich Massenproteste, wie es sie am 15. März in der West Bank gegeben hat, weiterentwickeln.
Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Dokumentes ist Libyen im Auge des Sturms. Durch die schon in unseren Artikeln und auf der Website beschriebenen Gründe ist der libysche Prozess viel komplizierter als etwa in Ägypten und Tunesien. Dies liegt am spezifischen Charakter des Gaddafi Regimes. Dass es ein blutbesudeltes Regime ist, daran besteht kein Zweifel. Der Aufstand in Benghazi konnte die von Gaddafi geführten Truppen besiegen. Diese brachten sich nach Tripolis in Sicherheit. Volkskomitees entstanden, diese wurden jedoch leider durch kleinbürgerliche und bürgerliche Kräfte, etwa durch einige ehemalige Minister des Gaddafiregimes, dominiert. Dieser Zustand hat sich verstärkt. Unsere Forderung, dass diese Komitees mit den Massen verwurzelt sein müssen, volle Arbeiterdemokratie und ein klares Programm haben müssen, hätte zu einer Gründung einer revolutionären Armee führen können, wäre dies notwendig geworden. Dies hätte sich ähnlich wie die Durruti Kolonnen nach dem Aufstand gegen die Faschisten zu Beginn des spanischen Bürgerkrieges in Barcelona 1936 entwickeln können. Schon die Ankündigung des Aufbaus einer solchen Armee hätte ein Funke sein können, der zu einem erfolgreichen Aufstand gegen Gaddafi in Tripolis hätte führen können.
Der insbesondere durch regionale Spaltungen zwischen dem Westen und dem Osten des Landes verstärkte Stammescharakter Libyens gab Gaddafi einen gewissen Raum zu manövrieren. Das Zeigen der Flagge von König Idris durch die Opposition erlaubte es Gaddafi, Benghazi als eine Basis der Konterrevolution darzustellen. König Idris kam aus Benghazi und war Anführer des Senussi Stammes, ein politisch-religiöser Orden, der 1/3 der libyschen Bevölkerung vereinigt. Dieser Eindruck wird durch die Forderung der Führer der Benghazi Bewegung nach einer vom Imperialismus durchgesetzten Flugverbotszone noch verstärkt. Dies repräsentiert eine totale Kehrtwendung in Benghazi. Dort wurde eine imperialistische Intervention zuvor mit den Worten, „die LibyerInnen können es alleine schaffen“, abgelehnt.
Es ist schwer zu sagen, wie sich die Situation genau entwickeln wird. Die Unterstützung für die Flugverbotszone wird schnell verfliegen, wenn sie nicht zu einem schnellen Sturz Gaddafis führt. Die öffentliche Meinung in den USA – mit einer massiven 2/3 Mehrheit für einen Truppenabzug aus Afghanistan – macht einen Landeinsatz unmöglich. Die amerikanischen und französischen Streitkräfte sind zu einem effektiven Landfeldzug nicht in der Lage. Auch die öffentliche Meinung, welche zunächst mehrheitlich für eine Bombardierung Gaddafis war, kann schnell kippen, wenn es zu vermehrten Todesopfern kommt. Die USA und Großbritannien sind durch ihre Verwicklung in Afghanistan bereits überlastet. Außerdem ist die Unterstützung militärischer Maßnahmen unter der britischen Bevölkerung sehr dünn gesät. Dort gibt es große Furcht, auch unter den Bürgerlichen, dass eine beschränkte Mission zu einem ausgedehnten Militäreinsatz werden könnte.
Gemeinsam mit den Oppositionskräften in Benghazi hofft der Imperialismus darauf, dass genügender militärischer Druck zu einem Überlaufen von Gaddafis Generälen führen könnte, ähnlich wie dies im Jemen der Fall war. Auf der anderen Seite könnte eine militärische Pattsituation entstehen und Libyen so geteilt werden. Dies kann dann zu militärischen/terroristischen Kampagnen gegen die imperialistischen Mächte führen, die sich an Aktionen gegen das Gaddafiregime beteiligt haben. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich die Streitkräfte größerer arabischer Staaten wie zum Beispiel Ägypten an Umsturzversuchen gegen Gaddafi beteiligen würden. Dies liegt an der schon jetzt instabilen und misstrauischen öffentlichen Meinung im arabischen Raum gegen Interventionen von außerhalb. Selbst Amr Moussa, der Kopf der arabischen Liga, musste von seiner ursprünglichen Unterstützung einer eingeschränkten Flugverbotszone Abstand nehmen, als die unvermeidlichen, durch britische, amerikanische und französische Luftschläge verursachten zivilen Todesopfer zu beklagen waren. Die großen imperialistischen Mächte sind schon jetzt trotz eines UN Mandates gespalten. Diese Spaltung wird im Fall einer Ausweitung und Intensivierung des Krieges anwachsen.
Ägypten ist für den Ausgang des epischen Kampfes zwischen den Mächten der Konterrevolution und der Revolution möglicherweise eine Schlüsselarena. Die Armeeführung hat, in Kollaboration mit den etablierten politischen Kräften der Reste der Mubarrakpartei, der NDP und der Mulimbruderschaft ein Referendum durchführen lassen. Dieses beseitigte einige der repressiven Gesetze des Mubarrakregimes und sieht Wahlen in den nächsten 6 Monaten vor. Die bewusstesten Elemente der Opposition gegen die Armee riefen zu einem Boykott des Referendums auf. Dieser Appell hatte einen Effekt, nur 41% beteiligten sich am Referendum. Doch es war nicht genug um das Referendum zum Scheitern zu bringen. 77% aller abgegebenen Stimmen waren für die vorgeschlagenen Veränderungen. Unsere Forderung nach einer echten, revolutionären verfassungsgebenden Versammlung hat auch weiterhin ihre volle Kraft. Wichtig ist jedoch die dringende Aufgabe des Aufbaus der unabhängigen Kräfte der Arbeiterklasse, insbesondere der Gewerkschaften und des Aufbaus einer neuen ArbeiterInnenpartei. Der Imperialismus interveniert über die europäischen und US amerikanischen Gewerkschaftsführer um die neuen ägyptischen Gewerkschaften in eine pro kapitalistische Richtung zu drängen. Ähnliches geschah während der portugiesischen Revolution. Dort nutzte der Imperialismus die mit der SPD verwobenen deutschen Gewerkschaftsführer um die Sozialistische Partei und die UGT Gewerkschaft des Mario Soares aufzubauen. Dies trug zur Entgleisung der Revolution bei.
In Tunesien stellen sich die selben grundlegenden Aufgaben, jedoch natürlich nicht genau so wie in Ägypten. Tunesien hat eine gewisse Geschichte der organisierten Opposition gegen Ben Ali, vor allem innerhalb der Gewerkschaften. Dies geht mit einem relativ hohen politischen und kulturellen Bewusstsein einher. Das bedeutet, dass die Massen sehr wohl wissen, dass die Revolution durch ihre Opfer gemacht wurde, sie aber bislang noch nicht die Früchte davon ernten konnten. Nichtsdestotrotz hat diese Bewegung von unten eine Reihe von Regierungen gestürzt. Unsere GenossInnen in Ägypten und Tunesien haben große Anstrengungen unternommen um die bewusstesten Kräfte zu erreichen und für das Banner des CWI zu gewinnen. Diese Arbeit muss in der nächsten Periode weitergehen.
Wir können weiteren Bewegungen in praktisch jedem Land der Region entgegen sehen. Außer Ägypten, Tunesien,Libyen und Bahrain werden die Regime in Syrien, den Golfstaaten (trotz der massiven Bestechungsgelder der Saudischen Prinzen), der Irak und selbst der Iran betroffen sein. Es gibt kein zurück. Es ist unmöglich, die alten Regime auf der selben Grundlage wie zuvor wieder aufzubauen. Es gibt einen echten Durst für Ideen und die drängende Forderung nach demokratischen Rechten überall, sowie einen tief sitzenden Hass auf die despotischen und diktatorischen Regime. Die ArbeiterInnenklasse drängt es zur Formierung neuer unabhängiger Organisationen, sowohl im Feld der Gewerkschaften als auch der politischen Parteien. Dies alles ergibt eine positive Situation für die Ideen des echten Marxismus und Trotzkismus. Im Anbetracht der damit rivalisierenden Ideologien mit denen wir uns auseinandersetzen müssen wird dies nicht einfach sein. Doch wahrscheinlich hat es seit den durch ihre fehlerhaften Etappentheorien niedergegangenen kommunistischen/stalinistischen Parteien keinen so fruchtbaren Boden für das Wachsen trotzkistischer und marxistischer Ideen gegeben. Auch die generelle wirtschaftliche und soziale Lage, größtenteils durch das weltweite wirtschaftliche Szenario und dessen Auswirkungen auf die Region begründet, bedeutet, dass es keine allgemeine Stabilität geben wird. Schließlich war es die durch explodierende Erwerbslosigkeit und insbesondere Jugenderwerbslosigkeit manifest werdende Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage, die zum Auslöser des Aufstandes in Tunesien, gefolgt von Ägypten und allem was danach kam, wurde. Dies unterstreicht die entscheidende Bedeutung wirtschaftlicher Perspektiven, wie das CWI immer wieder betont hat. Sollte es der Arbeiterklasse jedoch nicht gelingen, der Situation mittels eigener unabhängiger Organisationen ihren Stempel aufzudrücken, dann könnte der bislang marginalisierte rechte politische Islam wieder an Stärke gewinnen. Die durch die Armee gezielt herangezüchteten Konflikte zwischen KoptInnen und MuslimInnen sind eine Warnung, genauso wie die ebenfalls bewusst angefachten Konflikte zwischen SchiitInnen und SunnitInnen in Bahra
Weltwirtschaftskrise
Der nahe Osten übt insbesondere über seine kostbarste Ware, das Öl, großen Druck auf die Weltwirtschaft aus. Und die kolossalen Umwälzungen in der Region haben den Ölpreis nach oben getrieben. Dies wird sich sehr wahrscheinlich aufgrund der militärischen Komplikationen im Öl produzierenden Land Libyen massiv beschleunigen. Der stockende „Weltwirtschaftsaufschwung“ wird als Ergebnis dessen stoppen, oder sich sogar in eine Abwärtsspirale entwickeln. Die derzeitige Spitze im Ölpreis ist die fünfte große Erhöhung des Ölpreises seit 1973 und wurde jedes mal von einer Rezession gefolgt. Einige ExpertInnen erwarten, dass sich der Rohölpreis auf über 169 Dollar pro Barrel erhöhen wird, andere gehen sogar noch weiter. Ein unerwartetes Ergebnis davon ist der Bonus für Rohöl exportierende Staaten. Für Russland bedeutet eine 10 Dollar Erhöhung des Ölpreises Mehreinnahmen im Wert von 20 Milliarden Dollar. Iran, Venezuela und die arabische Welt werden alle gewinnen. Einige haben dies, wie zum Beispiel Saudi Arabien, genutzt um sich inneren Frieden zu kaufen. Der Chor kapitalistischer KommentatorInnen, der eine Gesundung des Kapitalismus proklamierte und vor einigen Monaten „sonnige ökonomische Landschaften“ versprach, hat sich komplett geirrt.
Auch 2005 wurde behauptet, der Boom werde bis 2007 und darüber hinaus andauern. Es stimmt, der britische FTSE Aktienindex stiegt am Ende des Jahres auf über 6040 Punkte an. Allerdings war das scheinbar beste Aktieninvestitionsfeld in der Mongolei und Sri Lanka! Selbst dies wurde durch die vernichtenden Fluten untergraben, von denen in Sri Lanka eine Million Menschen betroffen waren und durch die 20% der Reisproduktion zerstört wurden.
Die Vorgänge in den Riesenkasinos der Aktienmärkte sind für die Einschätzung der echten Gesundheitslage der heutigen Wirtschaft, sowie für Prognosen des echten zukünftigen Wachstums wenig relevant. Bedeutender ist das Eingeständnis des pro kapitalistischen, „liberalen“ Kommentatoren und Historikers Simon Schama: „Das Leben von Millionen im bürgerlichen Amerika funktioniert nur über Nahrungsbanken und Essensmarken. 70% der Bevölkerung haben einen nahen Freund oder Verwandten, der einen Job verloren hat. Wir leben immer noch im 3V Amerika: Verzweiflung, Vernichtung, Vertreibung.“ Dies alles im Bezug auf den Maschinenraum des Weltkapitalismus!
China
In China und Asien scheint es noch immer vorwärts zu gehen, was an den kolossalen Wachstumspaketen liegt. Diese wurden, sowohl was deren Größe als auch Effekt angeht, vom CWI vorhergesehen. In der neokolonialen Welt erleben die Länder einen Warenboom und zu einem gewissen Grad einen vergrößerten Markt für ihre Exporte. Die andere Seite von Chinas Wachstum ist jedoch die Akkumulation von Blasen, die die chinesische Wirtschaft zu einem weit schnelleren Halt bringen könnten, als derzeit von kapitalistischen ÖkonomInnen für möglich gehalten wird. Das Ausmaß des überhitzen Wohnungsmarktes zeigt sich im zerstörerischen Effekt, den dies auf StadtbewohnerInnen insbesondere in Peking hat. Inflation ist immer ein sehr sensibles Thema für den chinesischen Staat, insbesondere wegen der Rolle die diese in der chinesischen Revolution beim Sturz der Kuomintang in den späten 1940ern gespielt hat. Dadurch kam Mao an die Macht. Im Januar stieg die Inflation auf über 5.1%, was zu großer „Unzufriedenheit über Preissteigerungen führte, welche das größte Niveau seit Beginn der Aufzeichnungen 1999 erreicht haben“. Dies geht aus einer vor kurzem veröffentlichten Studie der Zentralbank hervor.
Was dies für die Millionen Menschen bedeutet, die vergebens darauf hoffen, ihren Fuß in den Immobilienmarkt zu bekommen, zeigen Schätzungen. Diese fragten: „Wie lange müssen BürgerInnen arbeiten, um sich eine 100 Quadratmeterwohnung in Zentralpeking leisten zu können? Der Preis liegt derzeit bei 450.000 Dollar. So lange keine Naturkatastrophen dazwischen kommen, hätte ein Bauer der ein durchschnittlich großes Stück Land bearbeitet, dafür seit der Tang Dynastie bis heute arbeiten müssen. Die Tang Dynastie endete 907 AD! Wenn ein chinesischer Fabrikarbeiter mit durchschnittlichem Gehalt seit den Opiumkriegen in der Mitte des 19. Jahrhunderts auch während der Wochenenden gearbeitet hätte, könnte er oder sie sich vielleicht ein solches Apartment heute leisten.“
Gleichzeitig führt Chinas kolossales, unkontrolliertes Wachstum zu Umweltschäden in Höhe von 1 Billionen Yuan. Dies sagen selbst die PlanerInnen der Regierung. Die Kosten von Verschmutzungen, schlechter werdenden Ackerböden und anderen Einflüssen beliefen sich 2008 auf 1.3 Billionen Yuan (139 Milliarden Pfund). Dies war das Äquivalent von 3.9% des chinesischen BIP. Der Verlust von Böden und Wasser „bedeutete schwere Gefahren für die Umwelt, Nahrungs- und Hochwassersicherheit,“ so der für Wasserversorgung zuständige chinesische Vizeminister. Die Reservoirs können die Nachfrage einer wachsenden und sich immer weiter entwickelnden Bevölkerung nicht befriedigen. Peking musste sich nicht wieder nachfüllbarer Wasserspeicher bedienen um das aufgestaute Wasserdefizit der Stadt zu decken. Dies könnte zu verordneten Beschränkungen des Wasserverbrauchs, insbesondere bei Großverbrauchern wie Fabriken führen. Von einem wirtschaftlichen Blickwinkel aus gesehen ist Chinas Entwicklung unter kapitalistischen Bedingungen nicht nachhaltig. Dies zeigt sich sehr deutlich, wenn man die Auswirkungen auf die Umwelt betracht
Radikalisierung in den USA
In den USA gibt es ein riesig aufklaffendes Haushaltsdefizit in allen Regierungsbereichen. Es droht ein finanzieller Crash. Zu einem Zeitpunkt im vergangenen Jahr gab es nur schwache Nachfrage nach Staatsanleihen. Es drohte eine Krise der Staatsfinanzen. Da die KapitalistInnen aber gerade massiven Geldüberschuss hatten, aber nicht wussten, wohin sie es produktiv investieren sollten (allein dies ist ein Zeichen der organischen Krise des Kapitalismus) gelang ein weiterer Verkauf von Anleihen. Die Obama Regierung sieht sich nun der undankbaren Aufgabe gegenüber, das Defizit kürzen zu müssen. Das wird große Auswirkungen auf den Lebensstandard haben. Sollten sich die Kürzungen auf das Wohlfahrtssystem konzentrieren, worauf die republikanische Rechte hofft, wird dies die soziale Lage enorm verschärfen und zu einer großen Radikalisierung führen.
Die dramatischen Ereignisse in Wisconsin zeigen, was passiert, wenn die republikanische Rechte auf die ArbeiterInnenklasse losgelassen wird. Diese schien bislang passiv zu sein. Ermutigt durch den Erfolg der Tea Party Bewegung bei den Kongresswahlen startete Wisconsins republikanischer Gouverneur einen Großangriff auf ArbeitnehmerInnenrechte und Arbeitsbedingungen. Dies provozierte einen Aufstand der ArbeiterInnenklasse, den die USA seit Jahrzehnten nicht erlebt haben. Ironischerweise hatten zuvor viele ArbeiterInnen für Tea Party KandidatInnen gestimmt, nur um dann zum Ziel der Angriffe und plötzlich Teil der Oppositionsbewegung zu werden. Beispielsweise hoben ArbeiterInnen das Beispiel der ägyptischen Revolution hervor! Es gab spontane Streiks und Forderungen für einen Generalstreik. ArbeiterInnen in anderen Staaten, wie zum Beispiel Indiana und Ohio, folgten dem Beispiel Wisconsins; auch sie sahen sich vergleichbaren Angriffen von kaltblütigen republikanischen Gouverneuren ausgesetzt.
Wisconsin war wie ein Donnerschlag, der den schlafenden Riesen der US amerikanischen ArbeiterInnenklasse aufgeweckt hatte. Dadurch eröffneten sich sehr gute Möglichkeiten für unsere US amerikanische Organisation. Ob sich dies zu einem anhaltenden Linksruck entwickelt, hängt wie anderswo davon ab, ob sich ein linker Attraktionspol in Form einer linken Partei oder Formation entwickelt. Die Mehrheit der GewerkschaftsführerInnen ist verzweifelt darum bemüht, die Bewegung auf den Weg zur Unterstützung der Demokratischen Partei zu bringen, wenn auch manchmal als „kleineren Übel“. Das selbe geschieht in Europa. Die GewerkschaftsführerInnen haben Angst und sind nicht in der Lage, einen erfolgreichen Kampf gegen die Belastungspakete der Bürgerlichen zu führen. Sie wollen den Kampf auf die parlamentarische Ebene führen und Unterstützung für die Sozialdemokratie aufbauen. Auf der anderen Seite würden Angriffe auf den riesigen „Verteidigungshaushalt“ zu noch größerer Kritik aus den Reihen der rechten RepublikanerInnen, unter Führung der Tea Party, an Obama und seiner Regierung führen. Bislang hat er auf diese rechte Offensive mit Rückzug und Zugeständnissen, wie etwa in der Frage der Reichensteuer, reagiert. Dies kann die Rechte nur zu weiteren Angriffen ermuntern, um aus Obama weitere Zugeständnisse herauszuholen. Auf der anderen Seite bewirken die Angriffe der rechten RepublikanerInnen auf die ArbeiterInnenklasse Unterstützung für Obama als das „kleinere Übel“. Er wird nun wahrscheinlich bei den Präsidentschaftswahlen 2012 wiedergewählt werden.
Europa und die Weltwirtschaft
In Europa droht die wirtschaftliche Schmelze Irlands auf Portugal und sogar Spanien überzugreifen. Letzteres ist laut einigen KommentatorInnen die viertgrößte Wirtschaft Europas und „zu groß zum Retten“. Selbst Italien und Großbritannien sind von dieser durch Ereignisse in Irland ausgelösten europäischen Bankenkrise – und darum handelt es sich – nicht vollständig immun. Die Rettung der irischen Banken ist ein Indiz dafür, „dass wir alle zusammen an einen Strang ziehen müssen, sonst hängen wir bald nebeneinander“ wie es Samuel Johnson ausdrückte. Dennoch droht Irland trotz aller Versuche der EU und anderer kapitalistischer Staaten, das Land flüssig zu halten, die Zahlungsunfähigkeit, oder eine Umschuldung wie es auf diplomatische Weise von kapitalistischen KommentatorInnen ausgedrückt wird. Der britische Finanzminister Osborne fand 7 Milliarden Pfund, um Irland, in Wahrheit den durch die irische Schmelze bedrohten britischen Banken, als „guter Nachbar“ zu helfen. Doch er ist kein guter Samariter für die Armen und die ArbeiterInnenklasse in Großbritannien. Dort will er das größte Belastungspaket seit 80 Jahren durchdrücken.
Hauptsächlich aufgrund der Entwicklungen in der chinesischen Wirtschaft waren die deutschen Maschinen und Autohersteller in der Lage sich schnell von der ersten Phase der Krise zu erholen. Aufgrund dieser Wettbewerbsstärke fühlt sich der deutsche Kapitalismus als Gewinner der Krise. Doch dies ist auf Sand gebaut und wird in der nicht allzu fernen Zukunft in Frage gestellt werden. Trotz dieser unterliegenden Schwäche gab dies dem deutschen Kapitalismus einige wirtschaftliche Optionen, um eine völlige wirtschaftliche Schmelze in Europa zu verhindern und um – nicht willentlich und sehr zögerlich – einige Zugeständnisse für die Rettung des Euro zu machen. Dies war nicht genug, um die europäische Wirtschaft zu retten oder einen neuen Aufschwung zu starten. Doch wenn zukünftige wirtschaftliche Eruptionen in Deutschland die europäische Entwicklung treffen, wird dies entscheidende Auswirkungen haben.
Das miteinander verwobene Schicksal aller europäischen Wirtschaften während der Staatsschuldenkrise zeigt, wie manchmal auf entscheidende Weise bedeutend internationale Entwicklungen für Ereignisse auf nationaler Ebene sein können. Die unterliegenden Annahmen der ConDem Regierung in Großbritannien sind, dass „am Ende der Nacht“ trotz barbarischer Kürzungen „alles ok sein wird“. Die Ereignisse werden für die Regierung sprechen, denn ein Wirtschaftsaufschwung ist „unvermeidlich“. Es wird argumentiert, dass sich der Wirtschaftskreislauf wieder herstellen werde. Nach der Krise folge der Aufschwung und so werde das Rad sich fröhlich weiter drehen. Der Marsch der Ereignisse wird diese Hoffnungen zerstören. Dies ist nicht ein Kreislauf wie es ihn 1950-75 oder in Form eines schwächeren Aufschwunges in den `00ern gegeben hat. Diese Krise ist sowohl für die HerrscherInnen als auch die Beherrschten unbekanntes Gelände was ihren Charakter, Tiefe und den Ernst der Lage angeht.
Bestenfalls wird die Weltwirtschaft entlang humpeln. Es wird keinen sofortigen und vollständigen Wirtschaftsaufschwung auf das Niveau vor 2008 geben. Dies bedeutet, dass sich Massenerwerbslosigkeit und Langzeiterwerbslosigkeit abgesehen von kleineren Höhen und Tiefen konsolidieren werden. Millionen von ArbeiterInnen werden nie mehr in eine Industrie integriert werden. Die Jobs die sie finden werden befristete Teilzeitjobs sein. In den USA werden diese „Überlebensjobs“ genannt. ArbeiterInnen nehmen sie mit der vergeblichen Hoffnung, wieder auf die Position aufsteigen zu können, die sie in der Vergangenheit gehabt haben. Für die voraussehbare Zukunft gehört die Ära der Vollzeitberufe, der steigenden oder jedenfalls stagnierenden Lebensstandards für die Mehrheit der Bevölkerung der Vergangenheit an.
Konsum spielt für den Erhalt einer modernen kapitalistischen Wirtschaft, insbesondere in den weiter entwickelten Ökonomien, eine entscheidende Rolle. In den USA des 19. Jahrhunderts nahm der Konsum 20% der Wirtschaft ein. Heute sind es 70% der totalen Wirtschaftsleistung in den USA. In China beträgt der Konsum heute 38% des BIP – relativ betrachtet um ein etliches weniger als die 50% unter dem stalinistischen Regime Maos. Doch insbesondere wegen der bedeutenden Rolle der KonsumentInnen drücken die Belastungspakete, die derzeit das wichtigste Instrument der Wirtschaftspolitik in den meisten kapitalistischen Ländern sind, die Wirtschaft nieder. Und dies wird nicht durch den Rückfluss von Investitionen – dem Mehrwert – in produktive Industrien kompensiert. Dies war in der Vergangenheit die Norm. Die ruinöse Politik des Finanzsektors des Kapitalismus in den vergangenen Jahren hat seine Wurzeln in einem Mangel an profitablen Investitionsmöglichkeiten für das Kapital, ein Prozess der in den späten 1970er Jahren begann. Fast allein unter den MarxistInnen hat dies das CWI immer wieder in schriftlicher Form festgestellt.
Die kolossalen Investitionen fiktiven Kapitals über das Kreditsystem haben die Grundlage für die Blasen gebildet, die nun explodiert sind. Doch der Kapitalismus hat im Allgemeinen und auf Weltebene nichts daraus gelernt. Eine neue Politik wird weder im alten Europa noch in den USA gemacht. In Wirklichkeit erleben wir eine Wiederholung der Politik der `00er Jahre, durch welche neue Blasen aufgebaut werden obwohl sich das System mit der Erholung von den riesigen Konsequenzen der vorangegangenen Politik des Schuldenüberhangs sehr schwer tut. Deshalb hinken Investitionen in Industrien – die wirkliche Kraft zur Schaffung von Werten – hinterher. Investitionen in Industrie sind sogar gesunken. Großbritannien ist beispielsweise von der Position der führenden industriell produzierenden Nation der Welt im 19. Jahrhundert auf Platz 5 herabgerutscht. Der Brasilianische Wirtschaftsminister erklärte kürzlich, seine Nation habe Großbritannien vom 5. Platz verdrängt. Das brasilianische Wirtschaftswachstum betrug 2010 7.5%, die schnellste Wachstumsrate seit 1986.
Die Erholung der Finanzmärkte wurde als Vorläufer kommenden Wirtschaftsaufschwunges gefeiert. Das ist völlig falsch. Historisch betrachtet sind die „Experten“ im analysieren des Verhaltens der Finanzmärkte auf der Seite der „Bären“, also der Pessimisten, die ein Voranschreiten der finanziellen Apokalypse erwarten. Einer kommentierte kürzlich gegenüber dem britischen Guardian: „Wenn die Märkte in eine neue Phase des Wahnsinns eintreten, kratze ich mir verwundert den Kopf. Die Behauptung, dass wir zurück in einer Phase nachhaltiger wirtschaftlicher Erholung sind ist genauso lächerlich wie es 2005-07 gewesen ist. Aber die Investoren sind auf das Tanzparkett zurückgekehrt und machen einen Walzer in Richtung der nächsten, unvermeidlichen Implosion. Danach werden sie ohne Zweifel wieder behaupten, diese sei absolut nicht vorhersehbar gewesen!“
Der moderne Kapitalismus scheint den Überschuss an Arbeitssuchenden, oder treffender formuliert die Massenerwerbslosigkeit, nicht absorbieren zu können. Sie ist durch Überakkumulation verursacht und wird in der Krise reflektiert. Nur ein Wachstum von mindestens 3% könnte dies ändern, selbst dann wäre es aber kompliziert. Selbst die optimistischsten kapitalistischen KommentatorInnen haben nicht die Erwartung, dass der Kapitalismus oder mindestens die kapitalistischen Länder, die sich in einer besseren Lage befinden wie zum Beispiel Deutschland, eine solche Wachstumsrate in der vorhersehbaren Zukunft erreichen werden. Der zurücktretende und diskreditierte Bundesbankpräsident Axel Weber erklärte kürzlich auf einer Konferenz in London, dass Deutschland nicht vor Ende des Jahres 2011 das Vorkrisenniveau erreichen würde: „Es ist keine Erfolgsgeschichte, es sind 3 verlorene Jahre.“ Dann schob er noch hinterher: „Der langfristige Trend für das Wachstum in Deutschland ist 1%. Das ist kein dynamischer Motor für die europäische Wirtschaft.“
Erwerbslosigkeit
Die Weltwirtschaftsleistung hat wieder das Niveau von 1989 erreicht! Der IWF geht davon aus, dass der Weltwirtschaft 2008 kolossale 50 Billionen Dollar durch Wertminderungen und Produktionseinbußen verloren gegangen sind. Das entspricht der weltweiten Güter und Dienstleistungsproduktion eines Jahres. Die Hinterlassenschaft der Krise ist riesig und lähmend. Der Kapitalismus wird Schwierigkeiten haben, dies zu überwinden, wenn es überhaupt jemals völlig gelingt. Obamas quasi keynesianische Maßnahmen, seine verschiedenen Stimulierungspakete, haben es nicht geschafft die Massenerwerbslosigkeit zu verringern. Offiziell sind 9% erwerbslos, in Wirklichkeit sind es wahrscheinlich doppelt so viele. Das ist seit 20 aufeinanderfolgenden Monaten der Fall. 47 von 50 Bundesstaaten haben seit Einführung der Stimulierungspakete Arbeitsplätze verloren.
Über 200 Millionen Menschen sind erwerbslos weltweit,78 Millionen davon unter 24 Jahre alt. Wahrscheinlich ist das eine große Untertreibung, weil Minijobs und Teilzeitbeschäftigung nicht eingeschlossen sind. Laut Daten der Internationalen Arbeitsorganisation sind 1.5 Milliarden Menschen prekär beschäftigt. Außerdem wird die Weltbevölkerung in den nächsten 40 Jahren um 2 Milliarden wachsen. In 17 Ländern der Eurozone liegt die Jugenderwerbslosigkeit bei 20.2%. Vor 3 Jahren war es 14 bis 15%.In Griechenland stieg sie auf sagenhafte 35% und in Spanien auf unglaubliche 40%!
Da es in diesen Ländern nur sehr wenig staatliche Unterstützung für die Erwerbslosen gibt, sie also auf Unterstützung ihrer Freunde und Familien angewiesen sind, ist es verwunderlich, dass wir noch nicht viel größere Unruhen erlebt haben als es diese Statistiken verdienen. Es stimmt, wir haben große und wütende Generalstreiks gesehen. Aber legt man die objektiven Bedingungen für die ArbeiterInnenklasse zu Grunde, können wir in der kommenden Periode insbesondere im Süden Europas mit Protestbewegungen der ArbeiterInnen rechnen, die die Grenzen der „offiziellen“ Gesellschaft sehr schnell überschreiten werden. Schon jetzt sehen wir in Griechenland wie sich die Massen in Kämpfe stürzen, auch wenn sie sich keine großen Hoffnungen auf Erfolg machen. In Athen setzten die BusfahrerInnen ihren Kampf fort, obwohl die Gewerkschaftsbosse dazu rieten, diesen abzubrechen und obwohl das Gesetz schon in Kraft getreten war. Oder das Beispiel der 2500 temporär angestellten Gemeindebeschäftigten, die das Rathaus besetzten als sie durch andere, zu schlechteren Löhnen und schlechteren Arbeitsbedingungen angestellten ZeitarbeiterInnen ersetzt werden sollten. Dies wird infektiöse Auswirkungen auf andere ArbeiterInnen haben, nicht nur in Griechenland, die sich sicherlich zur Nachahmung ermuntert fühlen werden. Das gilt auch für die studierende Jugend, die sich bald wieder im Konflikt mit Regierung und Bildungsautoritäten sehen werden.
Doch das politische Bewusstsein hinkt immer, manchmal auf chronische Weise, der objektiven Lage hinterher. Der 1929 Wall Street Crash lähmte die ArbeiterInnenklasse es brauchte 2 Jahre bis sie ihre Kräfte sammeln und Widerstand gegen den Ansturm des Kapitals organisieren konnte. Eine offensive Bewegung startete nur mit dem Beginn eines Aufschwungs ab 1934. Darauf haben wir immer wieder hingewiesen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es so einen Aufschwung geben wird, mindestens in den fortgeschrittenen Industrienationen. Brasilien zeigt, dass ein gewisser Aufschwung in einigen Ländern selbst während einer weltweiten Rezession möglich ist. Dafür gibt es, wie in anderen Ländern auch, einen spezifischen Grund. Verantwortlich war das Wachstum in China, welches Waren aufsog um die Räder der chinesischen Industrie am Laufen zu halten.