Marx is back!

Endlich hat‘s auch der SPIEGEL erkannt: Marx ist aktuell!
„Marx ist tot, Jesus lebt“, sagte der ehemalige Bundesminister Norbert Blüm nach dem Zusammenbruch der DDR. Der SPIEGEL kommt in seiner neuesten Ausgabe zu einem anderen Urteil: „Es ist wie vor 40 Jahren: Die Leute, die Zweifel haben am Sinn des Kapitalismus, an seiner Logik und seiner Menschlichkeit, die suchen bei Marx nach Erklärungen und Alternativen.“ Und titelt in Anlehnung an den berühmten ersten Satz des Kommunistischen Manifestes: „Ein Gespenst kehrt zurück.
Sascha Stanicic, Berlin

 
Veranstaltungen „Aktualität, Ideen und Leben des Karl Marx“

Köln: Di, 6.9., 19:30, Allerweltshaus, Körnerstr. 77-79
Hamburg: Do, 15.9., 19:00, Croque-Lagune, Eiffestr./Ecke Osterbrook.


 

Die Reichen und Mächtigen werden offensichtlich nervös. Sie hatten nach der Wiedereinführung kapitalistischer Verhältnisse in den frühereren stalinistischen Staaten der Sowjetunion, DDR und anderen von ihrem endgültigen Sieg geträumt und schon das „Ende der Geschichte“ ausgerufen. Brutal haben sie 15 Jahre lang privatisiert, die Löhne gedrückt, Kriege geführt, demokratische Rechte abgebaut – und die betroffenen ArbeiterInnen waren meist hilflos in ihrem Widerstand, denn sie konnten das Totschlagargument der Herrschenden nicht widerlegen: „Zu dieser Politik gibt es keine Alternative!“ Das ändert sich nun. Und der Erfolg der Linkspartei/PDS und WASG sind davon nur ein Ausdruck. Tatsächlich sind diese alles andere als marxistisch, aber ihr Erfolg bereitet der Verbreitung marxistischer Ideen den Weg. Und die Offenheit für diese Ideen ist schon weiter in die Bevölkerung vorgedrungen, als so mancher glaubt: nicht umsonst wurde Marx bei der ZDF-Wahl zum „besten Deutschen“ auf Platz 3 gewählt und auch 30.000 britische RadiohörerInnen wählten ihn zum wichtigsten Philosophen aller Zeiten. Auch die im SPIEGEL veröffentlichten Umfragen zeigen: eine Mehrheit der Bevölkerung hat eine positive Einstellung zum Sozialismus und zu Marx – und hält ihn für aktuell.

Marx ist in jeder Hinsicht hochaktuell: als Philosoph und Ökonom, aber vor allem als Revolutionär. Er hat wie kein Zweiter die Funktionsweise des Kapitalismus offen gelegt und die Widersprüche aufgedeckt, die zu wiederkehrenden Wirtschaftskrisen führen und dafür sorgen, dass der Kapitalismus das Lebens- und Kulturniveau der Menschheit nicht weiter anheben kann. Selbst bürgerliche Ökonomen beschreiben heute fast schon ehrfürchtig den Weitblick Marxens und weisen darauf hin, dass er die kapitalistische Globalisierung vorhergesagt hat. Der SPIEGEL nennt, ohne ihn namentlich zu nennen, den Wirtschaftskorrespondenten des „New Yorker“, John Cassidy, der sagte: „Je länger ich an der Wall Street bin, desto stärker wird meine Überzeugung, dass Marx recht hatte.“ Für die SPIEGEL-Autoren „liest sich (Marx), als hätte (er) schon Hollywood und Blue Jeans und Michael Jackson gekannt, liest sich wie ein Kommentar auf hilflose ‘Standort-Debatten‘, wie ein kritischer Kommentar zum krisengeschüttelten modernen Kapitalismus, wie eine bildhafte, präzise Beschreibung der modernen, globalisierten Ökonomie.“ Sie versuchen zwar sich Marx in einigen Abschnitte zu nähern, scheitern aber an einer wirklich ernsthaften und wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit seinen Ideen. Die Kernthesen seiner Wirtschaftstheorie widerlegen sie nicht, sondern lassen einen Wirtschaftsprofessor platt und ohne ein Argument behaupten diese seien „falsch, sinnlos, überholt“. Marx‘ Analyse der kapitalistischen Wirtschaft ist jedoch zutreffend und seine Methode ist die einzige Basis, auf der ein Verständnis der globalisierten Weltwirtschaft möglich ist.

Doch Marx war nicht nur Analytiker. Er entwickelte eine Alternative zum Kapitalismus und beteiligte sich aktiv daran, diese zu erkämpfen. Seine Leitlinie wird in seinem berühmtesten Ausspruch deutlich: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an sie zu verändern.“ Seine Theorien sah er vor allem als Anleitung zum Handeln. Der SPIEGEL bezeichnet Marx‘ Vorstellung einer Alternative zum Kapitalismus als „wolkig“ und lässt einen weiteren Professor behaupten, dass die DDR-Gesellschaftsform die unweigerliche Konsequenz des Marxismus ist. Blanker Unsinn! Marx sah in der „Befreiung des Einzelnen die Voraussetzung für die Befreiung aller“ – ein Gedanke der eine Ein-Parteien-Diktatur ausschließt. Unter Stalin wäre Marx nach Sibirien verbannt oder zu Tode verurteilt worden, bei Honecker wäre er in Bauzen gelandet. Sozialismus braucht Demokratie, wie der menschliche Körper Sauerstoff. Die „Diktatur des Proletariats“ war nur Marxens Begriff für die demokratische Herrschaft der Mehrheit der LohnarbeiterInnen über die Minderheit der Kapitalisten. Er hat die Widersprüche aufgezeigt, die eine sozialistische Gesellschaft auflösen muss: das Privateigentum an Produktionsmitteln, die Existenz des Nationalstaats, die Produktion zur Profitmaximierung. Die Auflösung dieser Widersprüche muss die Überführung der Produktionsmittel in Gemeineigentum, sinnvolle und demokratische Wirtschaftsplanung und eine Aufhebung von Zollschranken und Grenzen beinhalten.

Marx war vor allem Revolutionär. Mit großem Eifer führte er die erste internationale Arbeiterorganisation. Heute würde er am Kampf für eine sozialistische Gesellschaft teilnehmen – in den Arbeiterorganisationen und in der SAV und unserer internationalen Organisation, dem Komitee für eine Arbeiterinternationale.

Er würde seinen unerschütterlichen Optimismus verbreiten und auf die aktuellen Entwicklungen in Lateinamerika verweisen. Dort fand der Neoliberalismus in den 70er und 80er Jahren sein erstes Experimentierfeld. So wie Lateinamerika damals die Zukunft Europas vorzeichnete, so tut es dies auch heute. Und heute wird der ganze Kontinent von Massenbewegungen und Aufständen erschüttert. Millionen ArbeiterInnen, Bauern und Bäuerinnen, Jugendliche und Arme suchen eine Alternative zum Kapitalismus und Imperialismus. In Bolivien haben Massenversammlungen von Zehntausenden die Bildung einer Arbeiterregierung gefordert. In Venezuela finden breite Debatten über Sozialismus und Arbeiterkontrolle über die Wirtschaft statt, nachdem Präsident Chàvez sich für Sozialismus ausgesprochen hat. Das ist die Zukunft.